Als Stadtparlamentarier im Gemeinderat der Stadt Zürich, im Einsatz für die Zürcher Bevölkerung.

Als Stadtparlamentarier habe ich neben meinem Beruf als Bau- und Projektleiter ein Pensum von ca. 20-30%. Nach 6 Jahren habe ich das Stadtparteipräsidium vor 2 Jahren aufgegeben und möchte mich mit unseren Werten wieder voll und ganz im Stadtparlament einbringen und sie mit konkreten Projekten und Themen verknüpfen – beispielsweise im Umgang mit der 10-Millionen-Schweiz
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  • Personalhochhäuser Triemli: Doch Zwischennutzung?

    Der Abriss der Personalhochhäuser Triemli war eigentlich beschlossene Sache und auf 2023 geplant. Doch dann mehrten sich Stimmen aus Politik und von Expert:innen, die eine Umnutzung verlangen. Jetzt kann sich der Stadtrat eine Zwischennutzung vorstellen.
    // zum Artikel (Min Li Marti)

    Die Personalhochhäuser vom Triemli – auch schon als «Zürichs hässlichste Hochhäuser» (20 Minuten) bezeichnet, sollten nach dem Willen des Stadtrats abgerissen werden. 2003 war im Rahmen einer Gesamtplanung entschieden worden, dass die Hochhäuser weichen sollen, wenn dereinst das Bettenhaus Triemli steht. Diese Planung sorgte allerdings für Widerstand. Regula Fischer und Walter Angst (beide AL) wollten in einer schriftlichen Anfrage im Februar 2022 vom Stadtrat wissen, ob es aus ökologischen Gründen nicht sinnvoller sei, statt eines Aufbruchs eine Umnutzung vorzusehen. Der Stadtrat antwortete, dass er an der baulichen Entwicklungsstrategie 2020-2050 aus dem Jahr 2017 festhalten wolle, die einen Abbruch der Häuser 2023 vorgesehen hat. Die Häuser seien als Personalhäuser nicht mehr gebraucht, in einem schlechten Zustand, eine Sanierung sei zu aufwändig. Eine weitere Nutzung der Personalhäuser würde auch nach Ansicht des Stadtrats die Entwicklung des Triemli-Spitals behindern. 

    Seit letztem Jahr werden in den Hochhäusern Geflüchtete untergebracht. Dazu benötigt es auch gewisse Umbauten, das Bauprojekt wurde am 21. Juni im «Tagblatt» publiziert. Vorgesehen ist die Nutzung als temporäres Wohnheim bis 2027. Noch im letzten Jahr reichten Marco Denoth (SP) und Walter Angst ein Postulat ein, in dem sie den Stadtrat auffordern, auf einen Abriss auf Vorrat zu verzichten  In diesem fordern sie, dass der Stadtrat auch mittelfristig eine Zwischenlösung suchen und auf einen Abriss auf Vorrat verzichten soll. In der Debatte wies Marco Denoth darauf hin, dass der Stadtrat in der Antwort auf die schriftliche Anfrage von Regula Fischer und Walter Angst geschrieben habe, dass die Arealstudie nicht mehr aktuell sei und überarbeitet werde. Das bedeute, dass nicht so schnell etwas auf dem Areal passiere. Ein Abriss sei aus ökologischen Gründen nicht sinnvoll, meint Denoth, der sich als Architekt mit nachhaltigem Bauen beschäfigt:  «Meiner persönlichen Meinung nach darf man so viel gebaute Masse, also so viel gebundenen Beton, niemals zerstören. Es ist eine Unmenge an grauer Energie, die unwiderruflich vernichtet wird.» Die Häuser seien zudem erst 50 Jahre alt, sie hätten das Ende ihrer Lebensdauer noch nicht erreicht. 

    Neben der Zwischennutzung gibt es auch noch andere Ideen für die Personalhochhäuser. So haben Dominik Waser (Grüne) und Serap Kahriman (GLP) ein Postulat eingereicht, das fordert, dass die Hochhäuser im Baurecht an eine klimagerechte Genossenschaft abgegeben wird.

    Zwischennutzung nun doch möglich?

    Die ZAS (Zürcher Arbeitsgruppe für Städtebau), eine Gruppe von Architekt:innen, die sich schon vorher für eine Umnutzung der Personalhochhäuser eingesetzt hat, lancierte einen spekulativen Ideenwettbewerb zur Umnutzung der Personalhochhäuser (P.S. berichtete). Denoth und Angst haben zudem in einer weiteren schriftlichen Anfrage im März diesen Jahres nachgedoppelt mit Bezug auf den Ideenwettbewerb von ZAS. Darin zeigt sich der Stadtrat immer noch nicht bereit, den Abbruch der Personalhäuser aufzugeben. Aber er zeigt sich bereit, in einer Auslegeordnung unter anderem auch klimapolitische Aspekte zu berücksichtigen. Am Mittwoch gab der Stadtrat die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zur Zwischennutzung der Personalhochhäuser bekannt. Die Studie kommt zum Schluss, dass eine mittelfristige Zwischennutzung möglich ist. In der Machbarkeitsstudie werden für eine Nutzungsdauer von 15 Jahren ab 2026 verschiedene Szenarien untersucht. Die Studie zeige gemäss Stadtrat auf, dass eine Zwischennutzung zwar möglich, aber aufgrund der erforderlichen Brandschutz- und Substanzerhaltungsmassnahmen und der notwendigen Massnahmen für die Umnutzung zu Wohnen beziehungsweise Büro mit beträchtlichen Aufwänden verbunden ist. Entsprechend sei mit hohen Investitionskosten zu rechnen. Insgesamt schätzt die Studie das Szenario «Zwischennutzung» für die Stadt als unwirtschaftlich ein, da den hohen Investitionskosten eine relativ kurze Nutzungs- und Abschreibungsdauer von 15 Jahren gegenübersteht. Die erforderlichen Massnahmen würden zudem Treibhausgasemissionen verursachen, die sich für eine kurze Nutzungsdauer ebenfalls nicht amortisieren. 

    Der Stadtrat ist aber einer Zwischennutzung gegenüber nicht mehr total abgeneigt. Er will jetzt aufgrund der Ergebnisse klären, wie eine mittelfristige Zwischennutzung finanziell, betrieblich und technisch umsetzbar ist. Marco Denoth erklärt auf Anfrage, dass er gewisse Fragezeichen zu den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie hat, die er noch in der Kommission vertiefen will. «Dabei geht es vor allem um die Frage der Nutzungsdauer.» Denoth ist nach wie vor überzeugt, dass die Hochhäuser nicht abgerissen werden müssen.  «Aber immerhin ist der Stadtrat bereit, sich zu bewegen und kann sich jetzt eine Zwischennutzung vorstellen», anerkennt Denoth.

  • Zwei schwere Velounfälle innert einer Woche – linke und bürgerliche Politiker fordern sicherere Strassen in der Stadt Zürich

    Immer wieder kommt es in der Stadt Zürich zu tödlichen Unfällen. Velofahrer sind besonders häufig betroffen.

    // zum Artikel (Matthias Niederberger)

    Am 30. September kam es in der Nähe des Zürcher Locherguts zu einem tragischen Unfall. Ein Betonmischer wollte von der Badenerstrasse nach rechts auf die Seebahnstrasse abbiegen und kollidierte mit einer 25-jährigen Velofahrerin. Die Velofahrerin verletzte sich dabei so schwer, dass sie noch auf der Unfallstelle starb.

    Der Unfall ereignete sich kurz vor der «Critical Mass», einer immer am letzten Freitag des Monats stattfindenden Velodemonstration. Die Teilnehmer fordern unter anderem sicherere Strassen für Velofahrerinnen und Velofahrer.

    An der Ecke Badenerstrasse/Seebahnstrasse, wo sich der tödliche Unfall ereignete, steht heute ein «Ghost Bike». Das weiss bemalte Velo erinnert an den Unfall. Die Anteilnahme war gross. Rund 100 Personen versammelten sich am Donnerstag auf dem Helvetiaplatz, um in einem «Silent Ride» zum Unfallort zu fahren und der Verstorbenen zu gedenken, wie die Tamedia-Zeitungen berichtet haben.

    Am Donnerstag des «Silent Ride» kam es im Kreis 1 zu einer weiteren Kollision zwischen einem Lastwagen und einer Velofahrerin. Ein Lastwagenchauffeur fuhr vom Central über die Bahnhofbrücke und wollte rechts in den Bahnhofquai abbiegen, als er eine Velofahrerin erfasste. Der Unfall endete zwar nicht tödlich, doch die Velofahrerin verletzte sich erheblich. Die Stadtpolizei untersucht derzeit den Unfallhergang.

    Meist Zweiradfahrer oder Fussgänger betroffen

    Dass innert einer Woche gleich zwei schwere Velounfälle passieren, ist in Zürich zum Glück eher selten. Die 25-jährige Frau ist die erste Velofahrerin, die dieses Jahr in der Stadt tödlich verunfallte. In den vergangenen Jahren kam es aber immer wieder zu tödlichen Unfällen.

    Der neusten Unfallstatistik ist zu entnehmen, dass sich im vergangenen Jahr rund drei Prozent weniger Verkehrsunfälle als im Fünfjahresdurchschnitt ereigneten. Jedoch hat die Zahl der Schwerverletzten auf den Zürcher Strassen um genau denselben Prozentanteil zugenommen. 20 Personen verloren im Jahr 2021 im Strassenverkehr ihr Leben.

    Schwer verunfallte Personen im Kanton Zürich 2021

    Anzahl schwerverletzter und getöteter Verkehrsteilnehmer nach Fortbewegungsart
    VeloMotorradAutoFussgängerE-BikeAndere020406080100

    Drei Viertel aller Schwerverletzten im Kanton Zürich gehen auf Fussgängerinnen, Velofahrer, E-Biker oder Motorradfahrerinnen zurück.

    Menschenleben stehen über Parteipolitik

    Der tödliche Unfall im Lochergut hat die Politik auf den Plan gerufen. Die beiden Zürcher SP-Gemeinderäte Anna Graff und Marco Denoth wollen in einer schriftlichen Anfrage vom Stadtrat wissen, wie sich baulich abgetrennte Velowege auf die Zahl der Velounfälle auswirken. Graff und Denoth verlangen zudem nach einer Tabelle von Vor- und Nachteilen abgetrennter Velowege aus Sicht der Stadt.

    Nicht nur die politische Linke reagierte: Eine Allianz von Gemeinderatsmitgliedern der FDP, AL, SP, GLP, EVP und Mitte aus den Wahlkreisen 4 und 5 will die Entschärfung gefährlicher Stellen im Zürcher Strassenverkehr vorantreiben. Das sagte FDP-Gemeinderat Roger Suter letzte Woche im Zürcher Gemeinderat. Was das konkret heisst, sagte er nicht. Menschenleben stünden über der Parteipolitik. Suter sagte, er sei bereit, sich einen Schritt nach links zu bewegen. Er hoffe, dass die linke Seite auch einen Schritt nach rechts mache.

    Die Veloverbände fordern von der Stadt Zürich, dass sie Sofortmassnahmen trifft. Yvonne Ehrensberger, Geschäftsleiterin von Pro Velo Kanton Zürich, sagte gegenüber SRF, dass man beispielsweise Lichtanlagen so programmieren könnte, dass Velos nicht gleichzeitig wie Velos oder Lastwagen abbiegen dürfen.

    Die Stadt Zürich versucht schon länger, heikle Strassenabschnitte zu entschärfen. Dabei setzt sie vor allem bei der Signalisation oder bei baulichen Massnahmen an. So zum Beispiel in der Schlyfi: In der Kurve zwischen Klusplatz und Witikon starben innerhalb eines halben Jahres zwei Velofahrer nach einem Unfall. Als Reaktion darauf hat die Stadt die Laternen am Strassenrand mit Matten umwickelt und eine Markierung angebracht. Zudem herrscht dort nun Tempo 30. Seither wurden dort keine schweren Velounfälle mehr verzeichnet.

    Die Stadt Zürich plant bis 2030 mehr als 100 Kilometer Velovorzugsrouten. Diese sollen das Velofahren in der Stadt grundsätzlich sicherer machen.

  • Sie sollen vorerst stehen bleiben

    // zum Artikel (Beat Metzler)

    Nächstes Jahr hätten sie verschwinden sollen. Doch nun ist der Gemeinderat eingesprungen, um die Existenz der drei Triemli-Personalhäuser zu verlängern.

    Die Betontürme – 1969 erstellt, 15 Stockwerke hoch, insgesamt 750 Zimmer enthaltend – stehen seit längerem leer und werden als Ausweichfläche genutzt. Derzeit wohnen vor allem geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer darin. 2023 hätte der Abriss beginnen sollen. 16 Monate würden die Abbrucharbeiten dauern, rund 15 Millionen Franken kosten. Dagegen wehren sich Marco Denoth (SP) und Walter Angst (AL) mit einem Postulat, über das der Gemeinderat am Mittwochabend debattierte.

    Günstig wohnen ohne Küche

    Vor rund 20 Jahren beschloss die Stadt im Rahmen einer Strategie für das Triemlispital, die Türme zu schleifen. Das Volk stimmte zu. Doch mittlerweile gelten die Machbarkeitsstudien zur Entwicklung des Areals als überholt. Das Triemlispital möchte deshalb eine neue erstellen. «Am Standort der Personalhochhäuser wird in den nächsten zehn Jahren nichts Neues entstehen», sagte Marco Denoth. Mindestens so lange müssten diese stehen bleiben.

    Der Abriss im kommenden Jahr wäre ein Abriss auf Vorrat, sagte Denoth. «Ein absolutes No-go.» Derart viel verbaute Masse dürfe man nicht einfach so zerstören, dadurch ginge zu viel graue Energie verloren. Die Häuser seien erst 50 Jahre alt. «Mit ein bisschen Innovation lässt sich etwas Gutes daraus machen.» Denoth betonte den städtebaulichen Wert der Triemli-Anlage. Sie sei zu einem Zürcher Wahrzeichen geworden. Das Ensemble der drei Türme dürfe nicht ohne gute Begründung ersetzt werden.

    Walter Angst sagte, dass sich die Häuser eigneten für günstige Wohnformen. «Man muss nur auf einen gewissen Komfort verzichten.» Dies bestätigte Walter Anken (SVP). Er habe als Student ein paar Jahre dort gelebt, sagte er. «Das ging problemlos, auch ohne eigene Küche.»

    Gegen lebensverlängernde Massnahmen bei den drei Türmen wehrte sich der zuständige Stadtrat Andreas Hauri (GLP). Die Bauten befänden sich in keinem guten Zustand mehr. Die Betriebsbewilligung der Gebäudeversicherung laufe Ende Jahr aus. Die meisten Zimmer verfügten weder über eine Nasszelle noch über eine Küche. «Vom Standard her finde ich das grenzwertig.» Eine Anpassung der engen Grundrisse sei schwierig, die Bauweise entspreche auch nicht den energetischen Vorgaben der Stadt. «Eine Umnutzung ist anspruchsvoll.» Hauri versprach aber, die Häuser so lange zu erhalten, wie sie die Stadt für die Unterbringung von Geflüchteten benötige. Der Stadtrat hat sich bereits in einem längeren Bericht gegen den Erhalt der Türme ausgesprochen.

    Ein Umdenken

    Unterstützung erhielt Hauri von der FDP. Investitionen lohnten sich bei Häusern in einem derart schlechten Zustand nicht mehr, sagte Andreas Egli. Den Postulanten gehe es nicht nur um eine Zwischennutzung von zehn Jahren, sie versuchten, die Türme für längere Zeit zu bewahren.

    Alle anderen Parteien, auch Hauris GLP, stellten sich hinter das Postulat (98 Ja- zu 19 Nein-Stimmen). Der Stadtrat muss nun prüfen, ob er eine entsprechende Lösung findet.

    Das Stadtparlament hat sich diesen Januar grundsätzlich gegen «vorzeitiges» Abreissen von Gebäuden ausgesprochen. Die Vernichtung von verbautem Material passe nicht zur Netto-null-Strategie. Künftig solle der Stadtrat jeweils eine Berechnung erstellen, welche die Energie- bilanz einer energieeffizienten Sanierung mit jener einer Abriss-Neubau-Lösung vergleiche. Auch unter zahlreichen Fachleuten gelten Ersatzneubauten als nicht mehr zeitgemäss.

  • Unfall bei offener Rennbahn

    Oerlikon Am Mittwoch um ca. 16.30 Uhr fuhr ein Fahrradfahrer die Dörflistrasse hinunter in Richtung Hallenstadion. Im Bereich der Verzweigung zur Tramstrasse kam er zu Fall und verletzte sich schwer, wie die Stadtpolizei Zürich mitteilte. Der 46-Jährige wurde mit dem Rettungswagen ins Spital gebracht.

    War es ein Selbstunfall? Wurde er angefahren? Wie es zum Unfall kam, ist gemäss Polizeimeldung noch unklar.

  • Alle Parteien wollen Gratis-Infektionstests

    Geschlechtskrankheiten Die Stadt Zürich wird in einem Versuch kostenlose Tests für HIV oder Syphilis anbieten.

    // zum Artikel (Beat Metzler)

    Die Stadt Zürich ist in einem Bereich die Schweizer Nummer eins, den Standortfördererinnen selten hervorheben: den Geschlechtskrankheiten. Von Gonorrhö zum Beispiel gab es in der Stadt 2019 fast 95 Fälle auf 100’000 Einwohner. Im Landesschnitt waren es gut die Hälfte weniger.

    Nun möchte Zürich gegen diese hohen Zahlen vorgehen. Dazu hat der Gemeinderat gestern Abend eine Methode beschlossen, die viele Schweizerinnen und Schweizer während der letzten zwei Jahre persönlich kennen gelernt haben: kostenlose Infektionstests. Diese erkennen aber nicht Corona, sondern sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV, Syphilis, Chlamydien, Tripper und Hepatitis.

    Widerstand gab es im Rat nicht. Alle Parteien stimmten für das vom Stadtrat vorgeschlagene Projekt. Dieses geht auf ein Postulat zurück, das die SP-Gemeinderäte Marco Denoth und Patrick Hadi Huber vor gut vier Jahren eingereicht haben.

    In Bezug auf sexuell übertragbare Krankheiten sei die Stadt ein Hochrisikogebiet, sagte Marion Schmid (SP). Zürich ziehe viele junge Menschen an, die tendenziell sexuell aktiv seien. Die Stadt pflege auch seit langem einen relativ toleranten Umgang mit sexuellen Minderheiten. Der Anteil an Männern, die Sex mit Männern hätten, liege viermal höher als der nationale Durchschnitt.

    Heute kosten solche Tests mit Beratung 282 Franken. Die Krankenkassen decken den Betrag nur teilweise. Der hohe Preis schrecke vor allem jüngere Menschen mit wenig Geld ab, sagte Marion Schmid. Eine weitere Hemmschwelle bilde die Scham. «Dank den Gratistests kann man sich früh daran gewöhnen.»

    Das neue Angebot richtet sich daher vorerst an Zürcherinnen und Zürcher unter 25 Jahren. Aber auch ältere Menschen, die wenig Geld verdienen, sollen von den Gratistests profitieren.

    Wichtige Früherkennung

    Das Ziel des dreijährigen Pilotprojekts liegt darin, die Zahl der Neuinfektionen zu senken. Bei Chlamydien, Gonokokken, Syphilis und Hepatitis B und C würden bei vielen Betroffenen keine Symptome auftreten, schreibt der Stadtrat. Solche «asymptomatischen Träger» würden stark zur Verbreitung der Krankheiten beitragen. Die Gratistests sollen helfen, sie zu entdecken.

    Kosten soll der Versuch knapp 2,7 Millionen Franken. Das lohne sich locker, sagte Marion Schmid (SP). Denn eine frühe Erkennung verhindere hohe Folgekosten. So müsse der Staat laut Berechnungen für jede zusätzliche Aids-Erkrankung rund 800’000 Franken aufwenden.

    Auch der zuständige Stadtrat Andreas Hauri (GLP) betonte, dass nur wenige vermiedene Ansteckungen die Investition herausholen würden. Daher seien solche Gratistests in vielen anderen Ländern bereits gang und gäbe. «Wichtig ist es auch, die jungen Leute im Rahmen der Testungen zu beraten.»

    Durchführen werden die kostenlosen Tests zwei bereits bestehende Stellen: der Checkpoint Zürich an der Konradstrasse 1 sowie der Test-in der Fachstelle SeGZ (sexuelle Gesundheit Zürich, früher Aidshilfe) an der Kanzleistrasse 80. Pro Jahr rechnet die Stadt mit 3150 Tests samt Beratungen, das Mindestziel liegt bei 1500. Diesen Herbst soll es losgehen. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet durch die Universität Zürich.

    Ein wenig Uneinigkeit gab es dann doch noch im Rat. SP, Grüne und AL weigerten sich mit einer Mehrheit von 65 gegen 46 Stimmen, das Postulat abzuschreiben. Dies wollte der Stadtrat, unterstützt von den Bürgerlichen und der GLP. So behält sich die Linke vor, weitere Forderungen zu stellen. «Eigentlich möchten wir Gratistests für alle, so wie es andere europäische Städte machen», sagte Marion Schmid (SP).

  • Hier haben Queers Einfluss

    Stadtzürcher Wahlen 2022 Von einer politischen Repräsentation wie in Zürich können Homosexuelle anderswo im Land nur träumen. Sie könnte bald noch ausgeprägter sein. Warum ist das so? Und spielt es überhaupt eine Rolle?
    // zum Artikel (Marius Huber)

    Die Wahlen in der Stadt Zürich von Mitte Februar sind gleich in doppelter Hinsicht höchst erstaunlich. Denn erstens liegt es im Bereich des Möglichen, dass danach die Hälfte der Stadtregierung aus Männern und Frauen besteht, die offen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben. Und zweitens kräht kein Hahn danach. Nur das linke Stadtmagazin «Tsüri» hat dies einmal thematisiert.

    «Das ist ein enormer Fortschritt», sagen unisono zwei Stadtpolitiker, die ansonsten Welten trennen: der SP-Gemeinderat Marco Denoth und sein SVP-Kontrahent Samuel Balsiger. Noch vor zwanzig Jahren hatte eine sexuelle Orientierung abseits der Hetero-Norm das Zeug dazu, politische Ambitionen auf einen Schlag zu zerstören, wenn man sein Privatleben nicht brav für sich behielt.

    Dass die herrschende Ordnung in Zürich derart rasch und gründlich auf den Kopf gestellt wurde, ist für Schwule und Lesben in der ganzen Schweiz von Bedeutung – und alles andere als selbstverständlich. Etwas Vergleichbares gab es bisher nur in Biel, wo bis vor kurzem zwei homosexuelle Männer und eine Frau drei der fünf Sitze in der Regierung hielten.

    Die landesweite Sonderstellung von Zürich

    «Zürich ist ein Unikum», sagt Alessandra Widmer von der Lesbenorganisation Schweiz (LOS). Das gelte auch fürs Stadtparlament, wo heute mehr als zehn Prozent der Sitze von homosexuellen Frauen und Männern besetzt sind, quer durch alle Parteien, mit einem Schwerpunkt bei der SP.

    In der Feststellung Widmers schwingt neben Freude auch Kritik mit. Denn im Rest des Landes ticken die Uhren des gesellschaftlichen Fortschritts langsamer. Roman Heggli von Pink Cross, der Dachorganisation der schwulen und bisexuellen Männer, bestätigt: «Generell sind wir in der Politik immer noch extrem untervertreten. Eine queere Person stösst schnell mal an eine Grenze, gerade wenn sie für ein höheres Amt kandidieren möchte.»

    Das zeigt sich nicht nur im Bundeshaus, sondern schon einen Steinwurf von Zürich entfernt, in Winterthur, immerhin sechstgrösste Stadt des Landes. Hier gab es vor vier Jahren einmal eine lesbische Kandidatin fürs Stadtpräsidium. Sie scheiterte. Mehr war da nicht. Wie kommt es, dass Zürich – zumindest für einen Teil der queeren Gemeinschaft – so anders funktioniert?

    Es gibt Leute wie SVP-Politiker Balsiger, die meinen, es sei bloss Zufall. Aber die meisten sehen das anders. Vier Faktoren stehen im Vordergrund.

    Faktor 1: Die Sogwirkung der Metropole

    Der wichtigste, weil grundlegende Faktor läuft auf einfache Wahrscheinlichkeitsrechnung hinaus: Es leben in Zürich ganz einfach viel mehr Schwule und Lesben als anderswo, weil sie aus dem ganzen Land hierherziehen. «Sobald ich gemerkt habe, dass ich mich in Männer verliebe, entwickelte Zürich eine ungemeine Anziehungskraft auf mich», sagt etwa Jan Müller, ein junger SP-Gemeinderatskandidat, der in Thalwil aufgewachsen ist. «Hier gibt es eine riesige queere Community, ein Nachtleben und viele junge Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen wie ich.»

    Dieses Aufgehobensein macht auch Mut. Simone Brander, die für die SP einen Stadtratssitz anstrebt, glaubt, dass es in der Stadt Zürich für eine lesbische Politikerin einfacher ist, offen zu ihrer Sexualität zu stehen, als in einem Gemeinderat auf dem Land. Im Umkehrschluss bewirkt der Sog Zürichs, dass politische Talente aus der homosexuellen Gemeinschaft dem Umland abhandenkommen.

    Faktor 2: Politisierung über das Private

    Homosexuelle scheinen überdurchschnittlich stark politisiert zu sein. «Mir fällt auf, wie viele engagierte Frauen in allen möglichen Politikfeldern lesbisch sind», sagt Simone Brander. Zufall ist das kaum. Für sie selbst waren eigene Diskriminierungserfahrungen einer der Gründe, weshalb sie in die Politik ging. Auch bei Marco Denoth, heute ein Wohnbaupolitiker, stand am Anfang sein Engagement für die Organisation HAZ – Queer Zürich. «Ich habe mich damals auch als Schwulenpolitiker identifiziert – heute steht anderes im Vordergrund.»

    Faktor 3: Vorbilder mit Strahlkraft

    Unter Homosexuellen ist unbestritten, wie wichtig gerade in jungem Alter Wegbereiter sind, die zeigen, dass ihnen keine Grenzen gesetzt sind. Ein Schlüsselmoment ereignete sich im Juni 2001 in Berlin, als die deutsche Boulevardpresse den damaligen Bürgermeisterkandidaten Klaus Wowereit als homosexuell outen wollte. Dieser kam den Schlagzeilen zuvor, indem er vor laufenden Kameras seinen selbstbewussten Satz für die Geschichtsbücher sagte: «Ich bin schwul – und das ist auch gut so.» Er schaffte die Wahl.

    «Das hat etwas verändert», sagt SP-Gemeinderat Denoth. Der Wandel zeigt sich gerade im Vergleich mit der ersten Zürcher Stadträtin, Emilie Lieberherr, die bis Mitte der Neunziger im Amt war. Sie hat trotz lebenslanger Partnerschaft mit einer Frau öffentlich bis zuletzt bestritten, lesbisch zu sein. Viele meinen: bestreiten müssen. Nur wenige Jahre nach Wowereits Erfolg in Berlin wählte auch Zürich mit Corine Mauch eine offen lesbische Stadtpräsidentin und mit André Odermatt einen Bauvorsteher, der ebenfalls zu seiner Homosexualität stand.

    Obwohl beide von der SP portiert wurden, stand keine gezielte Förderung oder gar eine Quote dahinter – es war mehr das zufällige Ergebnis einer allgemeinen Entkrampfung. Es sei schon damals gar nicht mehr gross thematisiert worden, erinnern sich beide. «Das war eine grosse Bestätigung, dass Zürich eine offene und fortschrittliche Stadt ist», sagt Mauch.

    Gerade die Bedeutung von Mauchs Wahl könne kaum überschätzt werden, findet Alessandra Widmer von der LOS. «Sie ist für jede queere Frau in der Schweiz ein grosses Vorbild.» Das bestätigt Brander, die damals ganz am Anfang ihrer Politkarriere stand und genau beobachtete, wie Mauch mit der Frage nach ihrer sexuellen Orientierung umging: «Es hat mich beeindruckt, dass dies auf eine gute Art möglich war.» Beeindruckt war auch Jan Müller, der sich damals gerade seiner Homosexualität bewusst wurde und fürchtete, ein Coming-out könnte politischen Ambitionen dereinst im Weg stehen: «Aber dann sah ich, dass sogar die Präsidentin der grössten Schweizer Stadt das kann.»

    Faktor 4: Mehr Zeit für die Politik

    Heterosexuelle Politiktalente brechen ihre Karriere oft ab, wenn sie Nachwuchs bekommen. Als der ehemalige Basler Regierungsrat Baschi Dürr einst für sich einen halben Papi-Tag pro Woche einforderte, erntete er Spott. «Bei uns wird erwartet, dass man für ein hohes Amt sein ganzes Privatleben opfert», sagt Denoth. Schwule und Lesben seien da vielleicht im Vorteil, denn unter homosexuellen Paaren sind solche mit Kinder immer noch eine Minderheit. Das zeigte sich in Zürich, wo es in der SP-internen Ausmarchung zwischen Simone Brander und Min Li Marti um die Stadtratskandidatur ein Thema war, dass Letztere eine vierjährige Tochter hat. Im amtierenden Zürcher Stadtrat ist Raphael Golta der Einzige mit kleinen Kindern, weil seine Frau die ganze Familienarbeit übernommen hat.

    Bleibt die Frage, ob die starke Repräsentation von Schwulen und Lesben in der Stadtzürcher Regierung im Parlament politisch überhaupt relevant ist. SVP-Mann Balsiger verneint. Sie spiele nur deshalb eine Rolle, weil der «linke Zeitgeist» mit seiner Fixierung auf Minderheitenrechte ihr besondere Bedeutung beimesse. «Ich würde lieber über Werte, Inhalte und Leistung reden – es gibt genug, was in der Stadt Zürich nicht gut läuft. Ob ich von Geburt aus per Zufall schwul bin oder nicht, sollte dabei egal sein.»

    SP-Jungpolitiker Jan Müller hält dagegen. Natürlich wünsche auch er sich, dass sein Privatleben irgendwann einmal kein Thema mehr sei. «Aber solange es in der Stadt Zürich Hassverbrechen gibt und man darüber diskutiert, ob die sexuelle Orientierung in den Schulen ein Thema sein soll, ist es nötig, dass die queere Gemeinschaft in der Politik sichtbar repräsentiert ist.»

    Jetzt geht es um andere Teile der queeren Gemeinschaft

    Für Stadtpräsidentin Mauch ist das Ziel einer diskriminierungsfreien Gesellschaft aber noch nicht erreicht: «Gerade jugendliche LGBT+ haben immer noch gegen Vorurteile zu kämpfen und sind im schlimmsten Fall sogar Gewalt ausgesetzt.» Brander, Denoth und Müller sind sich einig, dass es in Zürich künftig darum gehen muss, auch andere Gruppen aus der queeren Gemeinschaft dorthin zu führen, wo Schwule und Lesben heute stehen. Denn ohne politische Repräsentation gehen deren Themen vergessen, zum Beispiel geschlechtsneutrale Toiletten für Transmenschen.

    Vereinzelt gibt es inzwischen Bestrebungen, gezielt für mehr Diversität auf den Wahllisten zu sorgen. Nicht nur bezüglich der sexuellen Orientierung. Warum, zeigt zum Beispiel das männerlastige Geschlechterverhältnis im Stadtrat, aber auch nur schon ein Blick auf die Nachnamen der aktuellen Amtsträgerinnen und Amtsträger. Diese klingen, ob nun homo oder hetero, verdächtig fest nach Gotthelfs Zeiten.

  • Hier kann man sich zukünftig gratis auf Syphilis testen lassen

    Kampf gegen Geschlechtskrankheiten Die Stadt Zürich will sexuell übertragbare Infektionen eindämmen. Deshalb lanciert sie ein neues, niederschwelliges Angebot – eine Premiere in der Schweiz.
    // zum Artikel (Sara Belgeri)

    Die Zahl der Gonorrhö-, Chlamydien- und Syphilisinfektionen nimmt seit einigen Jahren wieder zu – Zürich ist dabei mit grossem Abstand auf Platz 1, wie Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zeigen. Bei Gonorrhö beispielsweise wurden 2019 fast 95 Fälle auf 100’000 Einwohner gezählt. Im Landesschnitt waren es etwa 45.

    Die Stadt Zürich hat das Problem erkannt und will Präventionsarbeit leisten. Wie der Stadtrat gestern an einer Medienkonferenz bekannt gab, wird Zürich deshalb als erste Schweizer Stadt im Rahmen eines Pilotprojekts Gratistests für sexuell übertragbare Infektionen zur Verfügung stellen. Getestet werden soll auf HIV, Syphilis, Chlamydien, Tripper und Hepatitis.

    Die Stadt erhofft sich von den Gratistests, die Anzahl der Neuinfektionen zu senken. Mit dem Angebot folgt Zürich dem Vorbild internationaler Städte wie München, Berlin oder Sydney.

    Junge Menschen sind besonders häufig betroffen

    Vor allem die hohen Kosten würden verhindern, dass man sich auf Geschlechtskrankheiten testen lasse, sagt Stadtrat Andreas Hauri (GLP). Daher sei das Ziel des Pilotprojekts, den Zugang zu Tests für Menschen zu vereinfachen, die sich diese nicht leisten könnten. Tests – Kostenpunkt 260 Franken – wurden zwar bisher über die Krankenkasse abgerechnet, aber für junge Menschen mit tiefem Einkommen und hoher Franchise seien diese Kosten häufig trotzdem zu hoch.

    Zudem sagte Francisca Boenders, Geschäftsführerin von Sexuelle Gesundheit Zürich (SeGZ), bei jungen Menschen bestehe die Gefahr, dass der Brief mit der Krankenkassenabrechnung von den Eltern geöffnet werde und dass «viele Junge sich schämen». Konkret sollen deshalb Menschen bis 25 Jahre vom neuen Angebot profitieren; eingeschlossen sind aber auch Menschen, die eine Kulturlegi besitzen. «Mit den Gratistests leisten wir einen wichtigen Beitrag zu der öffentlichen Gesundheit in der Stadt Zürich», so Stadtrat Hauri.

    Das Angebot richtet sich aber auch deshalb an junge Menschen, weil diese laut Morten Keller, Direktor der Städtischen Gesundheitsdienste, «besonders häufig von Geschlechtskrankheiten betroffen sind». Von Chlamydien seien hauptsächlich Frauen unter 25 Jahren betroffen.

    Getestete müssen nur Alter und Wohnsitz angeben

    Keller betonte auch, wie wichtig Prävention sei, denn viele Menschen würden gar nicht merken, dass sie sich mit einer Geschlechtskrankheit infiziert hätten. Damit Infektionen nicht unbewusst weitergegeben würden, sei es wichtig, «früh zu intervenieren».

    Die Tests sollen nicht nur gratis, sondern auch anonym durchgeführt werden. Laut Boenders von der SeGZ muss man einzig Alter und Wohnsitz in der Stadt Zürich belegen können. Getestet wird in zwei Zentren- im Checkpoint Zürich an der Konradstrasse 1 und in der Sexualpädagogik in Zürich an der Kanzleistrasse 80. Junge Menschen sollen vor allem über die sozialen Medien vom Testangebot erfahren. Man wolle aber auch in Schulen informieren und Präventionswochen durchführen.

    Das Projekt startet im Herbst 2022 und wird nach drei Jahren ausgewertet. Auslöser war ein Vorstoss, der von den SP-Gemeinderäten Marco Denoth und Patrick Hadi Huber eingereicht wurde. Die Vorlage muss vom Gemeinderat noch definitiv verabschiedet werden.

  • Zürich verliert die Phänomena

    Neuer Standort Weil sich die Behörden desinteressiert zeigten, weicht die Erlebnisausstellung nach Dietikon ins Limmattal aus.
    // zum Artikel (Marius Huber)

    Es hätte die grosse Neuauflage der populärwissenschaftlichen Zürcher Erlebnisausstellung werden sollen, die Mitte der Achtzigerjahre über eine Million Besucher anzog. Doch weil die städtischen Behörden abweisend reagierten, findet die Phänomena nicht auf der Zürcher Allmend statt, sondern im Limmattal. Die Gemeinde Dietikon stellt den Organisatoren dort mehrere Hektaren Land zur Verfügung. Direkt an der Kantonsgrenze, südlich des Güterbahnhofs, sollen innert zweier Jahre die spektakulären Ausstellungsbauten Gestalt annehmen.

    Initiant Urs J. Müller, Sohn des Phänomena-Erfinders Georg Müller, freut sich über den gut erschlossenen Standort – auch wenn es nur die zweitbeste Lösung ist. Er hätte zwar die Stadt Zürich bevorzugt, aber dort zeigten ihm die Behörden von Anfang an die kalte Schulter. Dietikon sei diesbezüglich «eine andere Welt», sagt er. «Da wurde auffallend professionell, schnell und pragmatisch entschieden, während Zürich bürokratisch und bremsend auftrat.»

    Ein Hauptproblem in Zürich war der angepeilte Standort: Auf der Allmend sind nach offiziellem Nutzungskonzept keine Grossveranstaltungen vorgesehen. Es hätte also eine Ausnahmebewilligung gebraucht. Die Zürcher Stadtentwicklerin Anna Schindler, eine Schlüsselfigur im Departement von Stadtpräsidentin Corine Mauch, zeigte wenig Interesse, eine solche zu erwirken. Den Phänomena-Machern wurden stattdessen Alternativstandorte wie der Golfplatz beim Dolder oder die Hardturmbrache vorgeschlagen. Der eine schlecht erschlossen, der andere zu klein.

    Ein zweites Problem in Zürich war die offenkundige Skepsis im Präsidialdepartement. Schindler bemängelte die Ausstellung als nicht mehr zeitgemäss, und Mauch fiel auf durch Abwesenheit in einem Patronatskomitee, in dem sonst viel Prominenz versammelt ist: unter anderem Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die Regierungsräte Silvia Steiner und Martin Neukom.

    «Ganz schlechtes Zeichen»

    Für die Phänomena starkgemacht haben sich auch zwei Lokalpolitiker, die sonst selten an einem Strick ziehen: Der städtische FDP-Präsident Severin Pflüger und sein langjähriges SP-Pendant Marco Denoth. Denoth zeigt sich nun «sehr enttäuscht», dass es die Stadt nicht fertiggebracht hat, die Phänomena auf Zürcher Boden zu ermöglichen. «Das wäre eine grosse Chance gewesen, einem breiten Publikum Themen wie den Klimawandel näherzubringen und dabei als Stadt an vorderster Front für die eigenen Ziele zu werben», sagt er.

    Pflüger spricht von einem «ganz schlechten Zeichen» für die Stadt. «Da hätten Private mit viel Engagement etwas auf die Beine gestellt – und statt zu helfen, unterstützt die Stadtpräsidentin lieber ihre eigene Ausstellung.» Er zielt damit auf die von Corine Mauch propagierte Nexpo, eine Städteausstellung mit ähnlichen Themen wie die Phänomena: Nachhaltigkeit, Klimawandel, Digitalisierung. «Und das soll dann besser sein, nur weil es von der Stadt organisiert wird?», ärgert sich Pflüger.

    Mauchs Sprecher Lukas Wigger erwidert, dass die Nexpo bei der Einschätzung der Phänomena keine Rolle gespielt habe. Es handle sich um ein inhaltlich ganz anders gelagertes Projekt, das erst Jahre später den Höhepunkt erreiche. Wigger weist zudem darauf hin, dass der Gesamtstadtrat der Ansicht war, ein Grossanlass wie die Phänomena sei auf der Allmend Brunau weder bewilligungsfähig noch ökologisch nachhaltig. Die Stadt Zürich freue sich aber, dass die Initianten nun einen geeigneten Standort gefunden hätten.

  • SP befeuert Konflikt um Zürcher Veloschnellroute

    Bauprojekt unter Beschuss Die SP-Gemeinderäte Simone Brander und Marco Denoth haben kein Verständnis für die Planung der Stadt an der Scheuchzerstrasse. Sie haben Beschwerde eingereicht.
    // zum Artikel (Ev Manz)

    Die Scheuchzerstrasse war einst eine von zwei Test-Velostrassen und sollte demnächst eine reguläre werden. Doch es harzt.

    Die Verbindung zwischen den Unistandorten Irchel und Zentrum ist im Masterplan Velo als bevorzugte Veloschnellroute vorgesehen. Nun baut das Tiefbauamt jedoch die Strasse wegen einer Fernwärmeleitung um, ohne dabei eine Veloroute zu realisieren. Die Umbaupläne bringen linke Politiker in Wallung -aber nicht nur diese.

    Die SP der Stadt Zürich reicht gegen das Bauprojekt eine Beschwerde ein und fordert eine grundlegende Überarbeitung. Aus ihrer Sicht erfüllt das Projekt die Anforderungen der Velorouteninitiative nicht. Diese hat das Stimmvolk Ende September 2020 mit einer deutlichen Mehrheit angenommen. Die Stadt verpflichtet sich damit, in den nächsten zehn Jahren ein Netz aus 50 Kilometer Velowegen zu schaffen, die grundsätzlich vom motorisierten Individualverkehr befreit sind. Doch auf der Scheuchzerstrasse seien «wichtige Vorkehrungen dafür unterlassen worden», heisst es in der Beschwerde.

    Wenn nicht hier, wo dann?

    Für SP-Gemeinderätin Simone Brander ist es «unverständlich, warum die Scheuchzerstrasse nicht als Veloroute gemäss Initiativtext geplant wurde – also autofrei». Noch deutlicher wird ihr Parteikollege Marco Denoth: «Der Stadtrat hat die geforderte Veloplanung beim Projekt ignoriert.» Er stört sich vor allem daran, dass sie nicht durchgängig vom Irchel bis zum Unizentrum ist. Scheinbar sei das Bewusstsein, bei jedem Bauprojekt auch die Velobelange zu prüfen, noch nicht überall im Tiefbauamt angekommen, ist Denoth der Meinung.

    Auf dem Papier macht sich die Stadt sehr wohl für eine stärkere Gewichtung des Veloverkehrs stark. Velofahrende sollen priorisiert und vortrittsberechtigt werden. Auch die Knotenbereiche verspricht das Tiefbauamt anzupacken. Genaue Ausführungen macht es dazu aber nicht.

    Aber damit nicht genug. Auch aus Sicht der Fussgänger ist das Projekt nicht ideal. Denn: Einen Teil der Parkplätze will das Tiefbauamt zur Sicherheit der Velofahrer auf die Trottoirs verlegen.

    Bedeutend für Fussgänger

    Dieser Ansicht ist auch Verkehrsplaner Klaus Zweibrücken. Er ist gegen den Ausbau der Strasse als Veloroute. «Aus meiner Sicht hat die Stadt an den Fussgängern und den Quartieranliegen vorbeiprojektiert.» Er beruft sich auf den kommunalen Richtplan und den Bedeutungsplan. Beide messen der Verbindung für Fussgänger grosses Gewicht zu.

    Zudem habe die Stadt die Auswertung des Pilotversuchs 2016 zu wenig einfliessen lassen. Damals war die Zahl der Fussgänger leicht gesunken. Viele sahen die hohen Velogeschwindigkeiten als Problem. Rechtsvortritte könnten das Problem entschärfen, findet Zweibrücken. Deshalb sollten sie aus seiner Sicht bestehen bleiben. Zuletzt melden sich auch Vertreter für Hindernisfreie Architektur zu Wort. Sie fordern etwa Markierungen, die Sehbehinderten die Querung anzeigen.

    Die Einwendungen dürften den Umbau verzögern. Verzichtet die Stadt auf die Anpassungen gemäss Velorouteninitiative, entgehen ihr 750 wichtige Meter für das 50 Kilometer lange Netz von «Sicheren Velorouten», die sie bis in zehn Jahren realisiert haben sollte. Das Tiefbaudepartement rechnet damit, dass es frühestens 2023 mit dem Bau beginnen kann.

  • «Der private Aussenraum wird niemandem weggenommen, das ist Angstmacherei von euch Bürgerlichen» – «Im Richtplan sind Balkone und Terrassen ausdrücklich erwähnt»: Ein SP- und ein FDP-Politiker streiten über den Zürcher Richtplan

    Steht Zürich vor dem grossen Umbau? Vor der Abstimmung über die Richtplan-Vorlagen am 28. November liefern sich Marco Denoth und Severin Pflüger ein hitziges Streitgespräch.
    // zum Artikel (Adi Kälin, Michael von Ledebur)

    Herr Denoth, im Mehrfamilienhaus, in dem ich wohne, hat es einen abgeschlossenen Innenhof, wo ich meine Kinder bedenkenlos spielen lassen kann. Was ist daran falsch?

    Marco Denoth: Nichts. Ihren Innenhof können Sie auch weiterhin benutzen. Der Richtplan sagt nicht, dass man da etwas verändern soll. Dazu würden auch die gesetzlichen Grundlagen fehlen.

    Aber es ist doch Ihr Ziel, Grünflächen vermehrt öffentlich zugänglich zu machen. Was ist falsch an ein wenig Privatsphäre?

    Denoth: Nichts, darum geht es auch nicht. Im dicht bebauten innerstädtischen Gefüge, wo wir Quartiererhaltungszonen haben, wird sich kaum etwas verändern. Wenn die Bürgerlichen behaupten, die privaten Dachterrassen würden bald zu öffentlichen Grillstellen, stimmt das einfach nicht. Wir wollen verhindern, dass in grossen Neubaugebieten Land privatisiert und abgeschlossen wird. Die Durchlässigkeit des Quartiers soll bestehen bleiben. Es geht dabei um grössere Gebiete, ab 6000, 7000 Quadratmetern.

    Also übertreiben Sie da völlig, Herr Pflüger?

    Severin Pflüger: Das ist nicht wahr. Im Richtplan steht, dass der private Raum öffentlich gemacht werden soll. Balkone und Terrassen sind ausdrücklich erwähnt. Offenbar krebsen die Richtplan-Befürworter jetzt im Abstimmungskampf zurück.

    Denoth: Wir krebsen nicht zurück, sondern korrigieren Falschaussagen.

    Pflüger: Der Richtplan macht keine Unterscheidung nach Grösse oder danach, ob sich ein Gebiet in der Innenstadt oder ausserhalb befindet. Man will die Stadt Zürich eindampfen auf eine Fünf-Minuten-Stadt: Innert fünf Minuten muss jeder zu seinem Grünraum kommen, und wo es den nicht gibt, holt man ihn von den Privaten.

    Denoth: Nein, es geht um grosse neue Siedlungen. Und das wird ja immer in kooperativer Planung mit den Bauherren gemacht und auch nur bei Sondernutzungsplanungen – also bei Gestaltungsplänen und dergleichen.

    Herr Pflüger, dramatisieren Sie nicht? Das Instrument ist ja nicht wirklich neu. Schon in den neunziger Jahren, als es um die Entwicklung von Neu-Oerlikon ging, mussten die Grundeigentümer Land für vier öffentliche Parks zur Verfügung stellen.

    Pflüger: Es ist gut, wenn Stadtverwaltung und Grundeigentümer zusammenarbeiten. Aber die Verwaltung sitzt nun einmal am längeren Hebel.

    Der Grundeigentümer kann ja immer Nein sagen.

    Pflüger: Ja, aber wenn der Eigentümer über die Regelbauweise hinausgehen will, muss er sich dies teuer mit Zugeständnissen erkaufen. Und dies wird er auf Kosten der Freiheit der Mieterinnen und Mieter tun. Die hat der Immobilienentwickler nicht in erster Linie im Auge. Er will schnell und gut bauen . . .

    Denoth: . . . und teuer und renditeorientiert.

    Pflüger: Selbstverständlich auch renditeorientiert, das ist nichts Schlechtes. Doch zurück zum Thema: Wir haben heute schon sehr viel grünen öffentlichen Raum; Stadtpärke, Promenaden und Stadtwälder. Es ist eben eine ideologische Geschichte mit diesem Richtplan: Das Private wird von Rot-Grün verabscheut.

    Denoth: Jede Wohnung soll einen privaten Aussenraum haben, das steht ausser Frage. Aber wir wollen nicht, dass ein 10 000 Quadratmeter grosses Grundstück einfach eingezäunt wird und nur für die Bewohnerinnen und Bewohner zugänglich ist.

    Pflüger: Das ist doch ein Schreckensbild, das nie eintreten wird.

    Denoth: Ihr habt euer Schreckensbild, wir haben unseres. Der private Aussenraum wird niemandem weggenommen, das steht nicht im Richtplan. Das ist Angstmacherei von euch Bürgerlichen.

    Bis 2040 soll Zürich nochmals um rund 85 000 Einwohner wachsen. Ist das wirklich gesund für die Stadt und deren Entwicklung?

    Pflüger: Ich habe da tatsächlich grosse Bedenken. Wenn wir für so viele Leute Raum schaffen wollen, müssen wir bestehende Siedlungen abbrechen. Das wird Leerkündigungen im grossen Stil mit sich bringen. Andererseits ist der Siedlungsdruck enorm gross. Und wir müssen dringend Wohnraum schaffen, sonst steigen die Mieten noch weiter an.

    Denoth: Ich sehe die Verdichtung auch nicht unkritisch. Aber der urbane Raum ist das ökologischste Lebensmodell. Die Zersiedelung der Landschaft darf nicht weitergehen. Wir müssen in den Städten qualitativ verdichten. Dem trägt der Richtplan Rechnung. Die Bürgerlichen sagen, es brauche einen Richtplan, einfach offenbar nicht diesen. Ich verstehe nicht, was ihr wollt. Ihr sprecht zum Beispiel recht abschätzig von der «Pantoffelstadt» . . .

    Pflüger: . . . dieser Begriff wurde von einem grünen Gemeinderat erstmals verwendet!

    Denoth: Das mag sein, aber die Bürgerlichen wollen die Idee mit diesem Begriff lächerlich machen.

    Sie sprechen von den 49 geplanten Quartierzentren.

    Denoth: Ja. Die Stadt der kurzen Wege soll ermöglichen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner alles im Quartier erledigen können. Wieso seid ihr dagegen, dass sich das Kleingewerbe in den Quartieren wieder etablieren kann?

    Pflüger: Die Versorgung des Quartiers ist wichtig. Ich glaube aber, dass das Angebot in den Quartieren automatisch besser wird, wenn dort verdichtet wird, weil mit mehr Bewohnern die Nachfrage steigt. Wir sträuben uns gegen die Allmachtsphantasie; dass man als Behörde vorschreibt, wo diese Zentren entstehen.

    Denoth: Eine Stadt ohne Quartierzentren wird provinziell. Das zeigt der Blick auf andere Städte – in Berlin spricht man zum Beispiel vom Kiez. Ich verstehe nicht, was ihr für Probleme mit der festgelegten Erdgeschossnutzung habt: Wer will denn am Lindenplatz oder am Stauffacher im Erdgeschoss wohnen? Niemand! Und der Richtplan fordert von den Grundeigentümern lediglich die Erdgeschossnutzung ein – mehr nicht. Alle diese 49 Orte haben schon heute Zentrumscharakter. Zeige mir ein Beispiel, wo es nicht so ist!

    Pflüger: Dann muss es der Richtplan ja auch nicht vorschreiben, und genau das Vorschreiben ist das Problem. Die Zentren entstehen nach Angebot und Nachfrage – und zwar dort, wo Eigentümer, Ladenbesitzer und Kunden ein Interesse haben. Ihr hingegen habt 49 Kreise eingezeichnet, wo diese Zentren entstehen sollen. Zürich soll sich organisch entwickeln und braucht nicht die Hilfe des links-grünen Gemeinderates.

    Denoth: Das geht jetzt einfach weg von jeglicher Stadtplanung, wie es andere Städte auch machen.

    Pflüger: Vielleicht ist es richtig, wenn es Zürich anders macht. Natürlich braucht es Stadtplanung . . .

    Denoth: . . . schon wieder krebst du einen Schritt zurück, es ist interessant . . .

    Pflüger: . . . wir müssen wissen, wo wir Strom und Wasser hinliefern müssen und wo es Schulhäuser braucht. Aber der jetzt vorgeschlagene Richtplan geht leider weit darüber hinaus. Es geht doch bei den Quartierzentren um etwas anderes als die Nahversorgung: Man hat keine Antwort auf die Frage, wie man den zusätzlichen Verkehr mit 85 000 Einwohnern abwickeln will. Also sollen die Leute in ihren Quartieren bleiben.

    «Wir wollen einen stadtverträglichen Verkehr, bei dem der öV, Velos und Fussgänger mehr Platz haben als der motorisierte Individualverkehr», sagt Marco Denoth.

    «Wir wollen einen stadtverträglichen Verkehr, bei dem der öV, Velos und Fussgänger mehr Platz haben als der motorisierte Individualverkehr», sagt Marco Denoth.

    Warum sagt der Richtplan eigentlich nichts zum öffentlichen Verkehr aus, Herr Denoth?

    Denoth: Ich wünsche mir schon lange visionäre Ideen zum öV. Die Idee der städtischen Verkehrsbetriebe mit den neuen Tangentialverbindungen unterstütze ich sehr. Da gibt es endlich Linien, die nicht übers Zentrum führen. Es ist nun allerdings so, dass der öffentliche Verkehr nicht im kommunalen, sondern vor allem im regionalen Richtplan behandelt wird, den wir vor vier Jahren verabschiedet haben.

    Pflüger: Ich denke, der öffentliche Verkehr kommt im derzeitigen Richtplan sehr stark unter Druck. Bis jetzt galt, dass jeder Punkt in der Stadt mit einem anderen in maximal einer Stunde verbunden werden kann. Das gilt nun nicht mehr. Zudem haben wir die Problematik, dass der öffentliche Verkehr auf den Hauptachsen verlangsamt wird – zusammen mit dem übrigen Verkehr, der auf Tempo 30 gedrosselt wird. Obwohl so viele zusätzliche Leute mit ihren Mobilitätsbedürfnissen nach Zürich kommen werden, wird nicht mehr Kapazität für den öffentlichen Verkehr freigespielt.

    Denoth: Ich muss es nochmals betonen: Die kommunale Richtplanung kann keine Antworten für den öffentlichen Verkehr liefern.

    Herr Denoth, viele Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner verstehen nicht, warum man den Verkehr in der Stadt insgesamt hinunterdimmen muss.

    Denoth: Dieses Dimmen betrifft vor allem den motorisierten Individualverkehr. Wir wollen einen stadtverträglichen Verkehr, bei dem der öV, Velos und Fussgänger mehr Platz haben als der motorisierte Individualverkehr. Dabei reden wir vom privaten Verkehr, nicht vom gewerblichen. Ich arbeite in der Baubranche, die sehr stark auf diesen Gewerbeverkehr angewiesen ist.

    Befürchten Sie denn nicht auch, dass diese Gewerbetreibenden bald weniger gut einen Parkplatz finden und länger im Verkehr stecken?

    Denoth: Ich persönlich finde die Parkplätze fürs Gewerbe sehr wichtig. Denkbar wäre ja auch, dass wir die blauen Zonen am Vormittag fürs Gewerbe reservieren. Am Nachmittag könnten sie dann alle benützen, wenn es noch Platz hat. Die blauen Zonen sind nicht dafür da, dass die Leute ihre Wohnmobile das ganze Jahr über abstellen können. Es gibt Leute, die haben einen privaten Parkplatz im Keller und belegen trotzdem einen Platz in der blauen Zone unmittelbar vor ihrem Hauseingang.

    Der Abbau bei den Parkplätzen in der blauen Zone trifft aber für einmal die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt und nicht die Pendler. Warum soll ein Zürcher, der sein Auto nicht mehr im Quartier abstellen kann, trotzdem Ja sagen zum Richtplan?

    Denoth: Man kann sein Auto einfach nicht mehr für 300 Franken im Jahr direkt vor seiner Tür abstellen, sondern muss sich vielleicht einen Platz in einer Parkgarage suchen.

    Das ist aber teurer und kann gerade Familien vor finanzielle Probleme stellen.

    Denoth: Ein Auto ist teuer, da sind die Kosten für den Parkplatz nicht der grösste Posten.

    Pflüger: Es ist noch nicht so lange her, dass Herr Denoth als Präsident der SP die Initiative «Züri autofrei» unterstützt hat. Rechtlich war die Initiative schliesslich nicht möglich, jetzt macht der Richtplan, was noch möglich ist. Weder das Auto noch das Velo werden die Verkehrsprobleme lösen. Beide haben aber ihre Berechtigung in der Stadt. Wir müssen aber dafür sorgen, dass der motorisierte Individualverkehr ökologischer wird. Die FDP hat deshalb auch Anträge gestellt, um öffentliche Parkplätze zu elektrifizieren. Die fanden leider keine Mehrheit.

    Letztlich geht es doch aber um eine Umverteilung des knappen Strassenraums. Die neuen Einwohner werden ja auch mit Autos, Töffs und anderem kommen.

    Pflüger: Ja, es wird sicher noch enger. Deshalb sehe ich in der Stadt Zürich auch keine Flächen für zusätzliche Autoinfrastruktur. Aber wir müssen sie auch nicht abbauen. Das Auto ist ein Teil der Mobilität, und es macht einen Teil der Lebensqualität aus, die wir in einer Stadt haben.

    Und woher soll der Platz kommen für zusätzliche Wege für Velofahrer und Fussgänger?

    Pflüger: Wenn ein Parkplatz aufgehoben wird, um einen Veloweg zu erstellen, dann ist das in Ordnung, auch wenn dafür einmal ein Baum gefällt wird. Wir sehen aber, dass überall Parkplätze aufgehoben werden, ohne dass etwas Neues entsteht. Das ist ein sinnloser Kampf gegen Autos.

    Denoth: Es gibt zahlreiche Strassenabschnitte, an denen Parkplätze zu breiten Velowegen umgewandelt wurden. Ich wüsste kein Beispiel, wo Parkplätze einfach wegkamen und nichts Neues entstand. Es ist im Übrigen kein Zürcher Phänomen, dass die Bedeutung des Autos in den Städten abnimmt. Tatsächlich habe ich «Züri autofrei» als Vision unterstützt. Anders nämlich als mein berühmter Parteigenosse Helmut Schmidt bin ich nicht der Meinung, dass zum Arzt muss, wer Visionen hat. Ich glaube nicht, dass Zürich 2040 autofrei sein wird, dafür ist unsere Gesellschaft noch nicht bereit. Aber die Tendenz geht klar Richtung Reduktion des privaten Individualverkehrs. Ein Auto ist auch einfach ein ineffizientes Verkehrsmittel. Es braucht zehn Quadratmeter, ob es steht oder fährt. Und meist sitzt eine einzige Person darin. Zur Elektromobilität: Ja, die Anträge wurden abgelehnt, was mir leidtut. Die Autos, die wir 2040 noch haben, sollten zu hundert Prozent elektrifiziert sein.

    «Wenn alle, die neu nach Zürich kommen, ihr Auto mitnehmen, dann kollabiert die Stadt tatsächlich», sagt Severin Pflüger.

    «Wenn alle, die neu nach Zürich kommen, ihr Auto mitnehmen, dann kollabiert die Stadt tatsächlich», sagt Severin Pflüger.

    Herr Pflüger, nochmals nachgefragt: Was machen wir mit der Mobilität der neu Zuziehenden? Sie müssten doch offener sein für neue Ansätze.

    Pflüger: Wenn alle, die neu nach Zürich kommen, ihr Auto mitnehmen, dann kollabiert die Stadt tatsächlich. Der öffentliche Verkehr wird eine zentrale Rolle spielen, eine viel grössere jedenfalls als das Velo.

    Wie viele Parkplätze werden denn eigentlich mit dem Richtplan abgebaut?

    Denoth: Keiner, denn es ist nur eine Richtplanung.

    Pflüger: Wir haben es einmal zu schätzen versucht und kamen auf etwa 20 000.

    Ich nehme gern die Aussage auf, dass es sich ja nur um eine Richtplanung handle. Tatsächlich ist ja sehr viel schon am Laufen, was darin geregelt wird. Es gibt zahlreiche neue Velowege und immer neue Tempo-30-Bereiche. All das läuft ja sowieso weiter.

    Denoth: Ja, das stimmt schon. In diesem Richtplan geht es nun um den politischen Willen dieser Stadt, der links geprägt ist. Nach diesem politischen Willen soll Zürich eine lebendige, soziale, wohnliche und ruhige Stadt sein. Für all diese Aspekte hat der Richtplan Antworten bereit. Städtebau ist ein so komplexes Thema mit ganz unterschiedlichen Disziplinen, die zusammenspielen müssen. Der Sinn der Richtplanung ist eben, dieses Zusammenspiel zu ermöglichen. Ein Beispiel ist die Schulraumplanung, gegen die ja auch die Bürgerlichen nichts haben. Wenn eine Stadt verdichtet wird, muss man wissen, wie der Verkehr rollen soll, wo es Schulhäuser braucht, öffentliche Betriebe oder Quartierzentren. Und ich gebe gern zu: Wir haben einen rot-grünen Richtplan vom Stadtrat bekommen und haben ihn mit unseren Anträgen an einzelnen Orten geschärft. Darin spiegeln sich die momentanen politischen Kräfteverhältnisse.

    Pflüger: Mit unseren Anträgen wollten wir erreichen, dass der Stadt und der Entwicklung etwas mehr Luft und Freiheit gelassen wird, aber alles wurde abgelehnt.

    Denoth: Es ist immer die Frage, um welche Freiheiten es geht. Bei euch geht es um die Freiheit der Autofahrer, um die Freiheiten der renditeorientierten Immobilienkonzerne. Und sei doch ehrlich: Ihr habt dem Richtplan auch in der Stadtratsvariante nie eine Chance gegeben. Ihr wolltet ihn ja auch gleich zu Beginn zurückweisen. Und in der Kommission habe ich von bürgerlicher Seite nie den Willen gespürt, dass man gemeinsam an der Zukunft dieser Stadt arbeiten will.

    Pflüger: Nur weil wir nicht genau die gleichen Ideen für diese Stadt hatten, behauptet ihr, wir hätten nicht mit euch zusammenarbeiten wollen. Ihr habt einfach immer die Mehrheit, die ihr bei den Wahlen 2018 errungen habt, durchgedrückt. Das ist euer Recht. Ob es aber gut ist für die Entwicklung der Stadt und die politische Kultur, ist eine andere Frage.

    Herr Pflüger, man hört von Ihnen vor allem Kritik. Haben Sie denn auch eine eigene Vision?

    Pflüger: Selbstverständlich. Wir hätten gern eine offene Stadt mit einem funktionierenden Zentrum, wo viele Leute einander treffen und Pendler von aussen willkommen sind. Wir brauchen einen Richtplan light. Nach einem Nein nehmen wir die Dinge, die es wirklich braucht, und streichen jene Passagen, in denen ins Eigentum eingegriffen wird und wo der Verkehr reduziert wird, ohne etwas Neues anzubieten. Und dann lassen wir der Stadt die Freiheit, sich organisch zu entwickeln.

    Denoth: Wir sind auch für eine offene Stadt und sind überzeugt, dass das Zentrum weiterhin lebhaft bleibt. Wir wollen aber auch das Prinzip der polyzentrischen Stadt, das es heute schon gibt, weiter stärken. Überhaupt wollen wir die Stadtentwicklung, die schon am Laufen ist, kontinuierlich weiterentwickeln. Das war die Aufgabe der Richtplanung, und die ist aus meiner Sicht auch gut erfüllt worden.

  • Überraschendes Bündnis für Riesenprojekt auf Allmend

    Phänomena 2.0 Die Neuauflage der Erlebnisausstellung von 1984 erhält politischen Rückenwind – von einer seltenen Allianz.

    // zum Artikel (Martin Huber)

    Noch ist es erst eine Vision: eine Neuauflage der Phänomena, jener populären naturwissenschaftlichen Erlebnisausstellung, die 1984 rund 1,3 Millionen Besucher ans Zürichhorn lockte. Von einer Art «Vergnügungspark für Kopf, Herz und Hand», schrieb der «Tages-Anzeiger», in dem man an rund 200 Experimentierstationen Naturphänomenen nachforschen konnte.

    2023 wollen private Initianten die Phänomena in aktualisierter Form wieder aufleben lassen. Auf der Allmend Brunau, in der Nähe des Einkaufszentrums Sihlcity. Im November wurde bekannt, dass die Initianten bei der Stadt bereits ein Baugesuch eingereicht haben und auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorliegt.

    Allerdings ist die Finanzierung noch nicht gesichert. Die Projektkosten der Phänomena 2.0 belaufen sich auf rund 46 Millionen Franken. Ein Drittel soll durch Eintritte finanziert werden, ein weiteres Drittel durch Sponsorenbeiträge, für das letzte Drittel beantragt die Trägerorganisation Beiträge der öffentlichen Hand und von Stiftungen.

    Jetzt erhält die geplante «Riesenkiste» Unterstützung aus der Stadtzürcher Politik. Und zwar von einem überraschenden Duo: Ex-SP-Präsident Marco Denoth und FDP-Präsident Severin Pflüger, die sonst wenig gemeinsam haben, spannen für einmal zusammen. Die beiden Schwergewichte der Stadtpolitik haben im Gemeinderat eine dringliche schriftliche Anfrage eingereicht. Sie verlangen vom Stadtrat Auskunft, ob und in welcher Form er die Ausstellung unterstützen will. 56 Ratsmitglieder haben den Vorstoss mitunterzeichnet.

    «Positive Impulse»

    «Es geht darum, ein Zeichen zu setzen für die neue Phänomena», sagt Denoth. Konkret wollen er und Pflüger wissen, ob der Stadtrat bereit ist, den Anlass mit 5 Millionen Franken zu unterstützen und ob er den Initianten schon jetzt mit 500’000 Franken unter die Arme greifen kann, damit sie das Projekt vorantreiben können.

    Die neue Phänomena wolle Erlebnisse schaffen zu Themen wie Klima, Biodiversität, Energie oder künstliche Intelligenz, «damit die Bevölkerung die Herausforderungen der Zukunft besser bewältigen kann», schreiben Denoth und Pflüger. Erkenntnisse aus der Wissenschaft würden «für alle verständlich erlebbar gemacht».

    Der Projektverantwortliche Urs J. Müller zeigt sich sehr erfreut über den Vorstoss von SP und FDP. «Wir hoffen, dass wir dadurch endlich mehr Klarheit erhalten über die Position der Stadt», sagt er und weist auf den wirtschaftlichen Nutzen der Ausstellung für Zürich hin. Gerade nach der Corona-Krise brauche es positive Impulse «mit Signalwirkung für die ganze Schweiz». Laut Müller geht es den Initianten auch darum, zu zeigen, «dass es in Zürich doch noch möglich ist, ein Grossprojekt zu realisieren.»

  • SP fordert 25-Franken-Gutschein für 400’000 Zürcher

    Die Restaurants litten besonders unter der Corona-Krise – darum soll ein Zustupf zum Besuch anregen. Ein verfrühtes Wahlkampfgeschenk?
    // zum Artikel (Thomas Zemp)

    SP-Gemeinderat Marco Denoth liebäugelt mit einer Stadtratskandidatur. Und er betreibe bereits eineinhalb Jahre vorher Wahlkampf, wirft ihm FDP-Präsident Severin Pflüger vor. Der Grund: Denoth hat ein Postulat von SP-Gemeinderätin Nicole Giger mitunterzeichnet und eingereicht, das einen 25-Franken-Gutschein für alle Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Zürich fordert. Einlösen könnten sie diesen innerhalb eines Jahres in einem Restaurant, einem Café oder einer Bar, aber auch in Kulturinstitutionen

    «Das sieht stark nach einem Wahlgeschenk an die Bevölkerung aus, mit dem Marco Denoth seine Stadtratskandidatur zum Abheben bringen will», sagt Pflüger. Denoth, der bis vor wenigen Wochen Co-Präsident der städtischen SP war, kontert: «So billig bin ich nicht.»

    Die Gastronomie und der Kulturbereich seien besonders stark von der Covid-19- Pandemie betroffen, begründen er und die Food-Bloggerin und Kochbuchautorin Giger ihren Vorstoss. Mit den momentanen Schutzmassnahmen könnten diese Betriebe noch nicht an einen Normalbetrieb denken, was auf den Umsatz drücke. «Die Gutscheine sollen die städtische Bevölkerung dazu ermuntern, die Gastro- sowie Kulturangebote zu nutzen und dabei helfen, die Wirtschaft im Gastro- und Kultursektor anzukurbeln.»

    Bei derzeit rund 400’000 Einwohnerinnen und Einwohnern würde das die Stadtkasse 10 Millionen Franken kosten. Das ist etwas mehr als ein halbes Steuerprozent.

    So erfreulich ein Gutschein für die städtische Bevölkerung auch wäre, die Idee der beiden SP-Parlamentarier dürfte im Gemeinderat keine Mehrheit finden. Das ergibt eine Umfrage unter den Parteien. Die Fraktionen der bürgerlichen Parteien FDP und SVP sind klar dagegen. Doch auch auf der linken Ratsseite zeichnet sich keine geschlossene Unterstützung ab. Im Gegenteil. Die AL hält nichts vom Vorschlag. Die Grünen und die Grünliberalen werden ihn zwar erst nach den Sommerferien diskutieren, doch der Grünen-Präsident Felix Moser und GLP-Vize-Fraktionspräsidentin Ann-Catherine Nabholz äussern sich skeptisch zur Idee.

    «Was ist mit dem Quartierlädeli?»

    Für AL-Fraktionschef Andreas Kirstein handelt es sich beim Vorstoss um populistische Symbolpolitik nach dem Giesskannenprinzip. «Ich bin nicht grundsätzlich gegen Populismus. Aber wenn man schon eine populistische Forderung aufstellt, dann bitte nicht eine derart unmutige.» Vor allem müsste das ganze Gewerbe und nicht nur die Gastronomie berücksichtigt werden. Und wer für die gesamte Bevölkerung etwas machen wolle, müsse bei den «generell überhöhten Gebühren der Stadt Zürich» ansetzen.

    Auch SVP-Präsident Mauro Tuena sagt, von der «typischen SP-Umverteilungsidee» würde nicht das ganze Gewerbe profitieren: «Was ist denn mit dem Quartierlädeli und dem kleinen Sanitärgeschäft, die beide die ganze Corona-Krise über für die Bevölkerung da waren?»

    «Ich bin nicht grundsätzlich gegen Populismus. Aber wenn man schon eine populistische Forderung aufstellt, dann bitte nicht eine derart unmutige.»

    Andreas Kirstein, AL-Fraktionschef

    Denoth hält dagegen, der Gutschein schaffe eine Win-win-Situation: Städtische Kultur und Gastronomie würden ebenso profitieren wie die Bevölkerung. In Wien sei dieselbe Idee sehr erfolgreich und medienwirksam umgesetzt worden. In Zürich sei innerhalb der Bar- und Club-Kommission eine ähnliche entstanden. Und auch von SVP und FDP habe er durchaus positive Reaktionen auf den Vorstoss erhalten, sagt Denoth.

    Lunch-Checks für alle

    Im Gegensatz zu den vielen Politikern finden Gastronomen Freude am Vorstoss, wie Urs Pfäffli, Präsident von Gastro Zürich City, sagt. Pfäffli hätte bereits eine Idee, wie die Stadt ein solches Projekt ohne grossen Aufwand umsetzen könnte: Sie könnte die Lunch-Checks einsetzen, die Stadt, Kanton und verschiedene Unternehmen ohne Kantine bereits nutzen, um ihren Mitarbeitenden das Mittagessen zu verbilligen. Diese funktionieren wie eine Art Kreditkarte, welche die Stadt mit 25 Franken aufladen und verschicken könnte.

  • Zürcher SP-Präsident Marco Denoth tritt zurück – und schmiedet bereits grosse Pläne

    Die Sozialdemokraten der Stadt Zürich müssen einen neuen Co-Präsidenten suchen. Marco Denoth erklärte am Donnerstag seinen Rücktritt. Bereits laufen Gespräche für seine Nachfolge.
    // zum Artikel (Florian Schoop)

    Sechs Jahre lang amtete Marco Denoth als Präsident der SP Stadt Zürich. Nun hat er genug. In einer Mitteilung seiner Partei erklärte er am Donnerstag seinen Rücktritt. Per 25. Juni, also auf die ordentliche Delegiertenversammlung hin, legt er sein Amt nieder.

    Die Zeit als Parteipräsident sei äusserst spannend gewesen, lässt er sich im Communiqué zitieren – aber auch sehr arbeitsintensiv. «Nach sechs Jahren möchte ich nun wieder mehr Zeit und Herzblut für Freunde und Familie und meine Firma haben», so Denoth.

    Denoth führt die Stadtpartei seit Jahren im Co-Präsidium. Anfangs stand ihm Gabriela Rothenfluh zur Seite. Die 45-Jährige aber trat von ihrem Amt zurück, nachdem sie im Sommer 2018 zur Präsidentin der Kreisschulbehörde Waidberg gewählt worden war. Ihre Nachfolgerin ist Liv Mahrer. Marco Denoth habe viel für die Partei geleistet, erklärt sie in der Mitteilung. Das «Glanzresultat bei den städtischen Wahlen» im vergangenen Jahr sei der beste Beleg dafür.

    «Ich stehe weiterhin zur Verfügung»

    Denoth wird auch nach seinem Rücktritt Gemeinderat der Stadt Zürich bleiben. Wie es nach seinem Abgang weitergeht, ist noch nicht klar – und genauso wenig, welche Kandidatin oder welcher Kandidat die Nachfolge antreten könnte. Mahrer lässt sich auf Anfrage hierzu noch nicht zu tief in die Karten blicken.

    Im Moment führe sie Gespräche mit verschiedenen Personen, mit denen sie sich eine Arbeit als Co-Präsidentin vorstellen könne, sagt Mahrer auf Anfrage. Namen will sie aber noch nicht nennen. Gemeldet habe sich bei ihr bisher noch niemand. Mahrer selbst will auch in Zukunft die SP der Stadt Zürich führen. «Ich stehe weiterhin zur Verfügung.»

    Und Denoth? Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» versichert der ehemalige Armeeoffizier, der Job als Co-Präsident habe ihn weder aufgerieben noch frustriert. Auch Alleingänge der Juso bezeichnet er nicht als mühsam. Die Jungsozialisten seien eben der «Stachel in unserem Hintern», und das sei auch gut so.

    Interesse am Amt des Stadtrates

    Politisch scheint Denoth noch Grosses vorzuhaben. Er könnte sich vorstellen, sich bei den Stadtratswahlen in zwei Jahren um ein Amt zu bewerben. «Es würde mich wirklich interessieren, falls es zum Thema wird.» Möglich also, dass Denoth auch deshalb sein Co-Präsidium abgelegt hat, denn: «In eine Wahl muss man mit eigenen Themen steigen, die man intensiv beackert», sagt er gegenüber der Zeitung. Als Co-Präsident habe man diese Möglichkeit weniger.

    Reizen würde den 44-Jährigen das Amt des Hochbauvorstehers. Auf die Frage, ob der heutige Vorsteher André Odermatt (sp.) denn bald zurücktrete, antwortet Denoth: «Irgendwann sicher. Aber zurzeit ist er voll im Saft und macht hervorragende Arbeit.»

  • «Ich bin in vielem etwas untypisch für einen Sozialdemokraten»

    Marco Denoth verlässt die Stadtzürcher SP-Spitze – und meldet höhere Ambitionen an.
    // zum Artikel (Marius Huber)

    Nach bald sechs Jahren als Co-Präsident der Stadtzürcher SP hören Sie Ende Juni auf. Aufgerieben vom Job?

    Nein, weder aufgerieben noch gefrustet. Mit 44 Jahren habe ich mir einfach überlegt, was ich im Leben noch tun will.

    Politisch oder privat?

    Politisch, beruflich und privat: Ein Jahr vor den letzten Wahlen wurde bei meiner Mutter ein Hirntumor diagnostiziert. Bei der Behandlung gab es Komplikationen. Am einen Tag stand sie noch auf der Skipiste, am nächsten war sie ein Pflegefall. Während des ganzen Wahlkampfes betreute ich sie – ich weiss nicht mehr, wie ich das geschafft habe. Letztes Jahr ist sie dann gestorben. Das hat mich aufgerüttelt. Ich habe oft darüber nachgedacht, was ich noch erleben möchte mit den Menschen, die mir nahestehen.

    Und die politischen Gründe? In zwei Jahren sind Wahlen, da dürfte bei der SP ein Stadtratssitz frei werden.

    Ich sage wie jeder, dass das ein spannendes Amt ist …

    … für das aber nicht jeder gleich gut geeignet ist. Sie werden selbst ausserhalb der SP als geeigneter Kandidat gehandelt. Oder sehen Sie das anders?

    Das freut mich zu hören, ich sehe das auch so. Es würde mich wirklich interessieren, falls es zum Thema wird. Ich kann mir vorstellen, mich gut einzubringen.

    Steht das Präsidium da im Weg? Sie haben sich vor den Nationalratswahlen beklagt, es hindere daran, Werbung in eigener Sache zu machen.

    In eine Wahl muss man mit eigenen Themen steigen, die man intensiv beackert. Als Co-Präsident hat man diese Möglichkeit weniger. Da muss man von allem eine Ahnung haben, um mitreden und beeinflussen zu können. Für Vertiefung reicht oft die Zeit nicht.

    Was sind denn Ihre Themen, die Sie forcieren wollen?

    Wohnen, Städtebau, Bodenpolitik – wie zu Beginn meiner Zeit im Gemeinderat.

    Geht es konkreter?

    Eines der grössten Probleme ist: Wir wollen Zürich zu einer besseren Stadt machen – aber das bedeutet Aufwertung, und dadurch werden Leute verdrängt. Mit unseren bisherigen Ansätzen stossen wir da an Grenzen. Ich glaube, wir könnten zum Beispiel vom Münchner Modell lernen.

    Wie geht das?

    Dort legt die Stadt Zonen fest, in denen es für Umbauten eine Genehmigung braucht. Und wenn ein Haus verkauft wird, hat die Stadt ein Vorkaufsrecht. Macht sie davon nicht Gebrauch, kann sie den Eigentümer vertraglich verpflichten, dass es in der Liegenschaft weiterhin günstige Wohnungen geben muss. Eine andere Idee wäre, Mietzinse aktiv auf Missbräuche zu kontrollieren.

    Das tönt wie eine Bewerbung fürs Amt von Hochbauvorsteher André Odermatt. Geht er?

    Irgendwann sicher. Aber zurzeit ist er voll im Saft und macht hervorragende Arbeit.

    Sie haben ein Architekturbüro und verdienen Ihr Geld im Immobilienbereich. Eckt man damit in der SP an?

    Nein. Vielleicht liegt es daran, dass ich mein Geld nicht im Immobilienmarkt verdiene, sondern als Projekt- und Bauleiter. Aber klar, in der SP staunen sie schon, wenn ich erzähle, dass ich jeden Monat eine Million Franken «verbaue».

    Sie besitzen auch ein Haus, mit dem Sie Geld verdienen.

    Ich besitze nur das Haus, in dem ich selber wohne, und damit verdiene ich kein Geld. Für die anderen drei Wohnungen könnte ich locker ein Drittel mehr Miete verlangen, wenn ich mich umsehe. Mache ich aber nicht.

    Trotzdem: Die SP kultiviert den Hauseigentümer als Feindbild.

    Wenn ich von Immobilienabzockern rede, meine ich nie die fairen Vermieter – davon gibt es erstaunlich viele in dieser Stadt.

    Betont die SP das zu wenig und macht sich unnötig Feinde?

    Womöglich. Mir ist es wichtig, dass faire Vermieter von Massnahmen, wie ich sie vorgeschlagen habe, nicht betroffen wären.

    Sie waren auch Offizier in der Armee – als Mitglied einer Partei, in der keiner mehr ins Militär geht.

    Ja, Fachoffizier – ich bin in vielem ein wenig untypisch. Aber das habe ich nur gemacht, weil es ein superinteressanter Job war. Ich habe die Camps der Friedensförderungsmission in Kosovo betreut und leistete meinen Militärdienst dort. Es gab Zeiten, da bin ich achtmal pro Jahr nach Kosovo geflogen … geflogen! Um Gottes willen!

    Das könnten Sie sich heute nicht mehr leisten.

    Ich musste halt, das war der Auftrag. Und ich erledigte den gerne. Die Friedensförderung ist für mich eigentlich das einzig Sinnvolle, was die Armee noch macht.

    Sind Sie in der falschen Partei? Man hört, die FDP würden Sie gerne aufnehmen.

    Das höre ich auch immer wieder. (lacht) Ich weiss nicht, warum. Ich bin in der SP mit jeder Faser am richtigen Ort.

    Aber die Stadtpartei hat einen Linksdrall, Sie nicht.

    Ich würde mich nicht in einer bestimmten Ecke einordnen. Ich stehe voll hinter allen Positionen der Stadtpartei, insbesondere zu Verkehr und Wohnen.

    Der Zug nach links stört nicht?

    Als die AL bei den Wahlen 2014 zulegte, kam die Forderung auf, die SP müsse noch linker werden. Ich vertrat die Ansicht, dass wir nicht linker werden, sondern unsere linken Positionen stärken müssen.

    Mussten Sie sich im Präsidium verbiegen, um den Einpeitscher zu geben?

    Nie! Ich habe mich mit dem Amt identifiziert und alles für die Partei getan – das gipfelte kürzlich im Vertrauensentzug durch die FDP, die mich nicht als Präsidenten der wichtigen Kommission für Siedlung und Verkehr haben wollte, weil sie mich als dogmatisch bezeichnete.

    Keine Entscheide, die Sie contre cœur vertreten mussten?

    Wo ich Mühe hatte, versuchte ich Einfluss zu nehmen. Beim Neugasse-Areal der SBB zum Beispiel hiess es in der SP, man müsse 100 Prozent gemeinnützigen Wohnungsbau fordern. Ich wusste genau, dass wir so nichts erreichen, weil die SBB das Areal nicht verkaufen.

    Hat sich die SP während Ihrer Zeit an der Spitze verändert?

    Klar. Bevor ich vor zehn Jahren in die Geschäftsleitung des Präsidentinnen-Duos Andrea Sprecher und Beatrice Reimann kam, wurde die SP 28 Jahre von Koni Loepfe geführt. Danach änderte sich der Führungsstil. Er wurde partizipativer, ganz bewusst.

    Sind Sie dafür nicht zu sehr der Offizierstyp?

    Es gab schon Momente, in denen ich gerne gesagt hätte: «Fertig jetzt, wir machen es so und so.» Aber als Co-Präsident der SP ist das der falsche Ansatz.

    Da müssen Sie sich anpassen, nicht umgekehrt.

    So würde ich es nicht sagen. Aber man muss führen, indem man überzeugt. Ich versuchte immer, alle an den Tisch zu holen und miteinander zu reden, wenn wir inhaltliche Differenzen hatten: Stadtrat, Gemeinderatsfraktion, Kantonalpartei, Juso. Wenn etwa die Juso wieder mal ausscheren wollten, versuchten wir sie für einen Kompromiss zu gewinnen.

    Die Juso-Querschläger gibt es doch immer noch.

    Sie sind der Stachel in unserem Hintern, das ist gut so. Der Fortschritt ist: Heute wissen wir rechtzeitig, wenn von der Juso etwas kommt. Früher merkte man das erst, wenn der Stachel schon im Hintern steckte.

    Ist das der grösste Erfolg Ihrer Amtszeit?

    Nein, es ist der Wahlerfolg 2018, als wir vier Sitze im Gemeinderat zulegten. Es ist uns gelungen, ein positives Bild unserer Vorstellung von der Stadt Zürich zu vermitteln.

    Was war das grösste Versäumnis Ihrer Amtszeit?

    (denkt lange nach)

    Sechs Jahre und kein Fehler?

    Doch. Als Stadträtin Claudia Nielsen ihren Abgang bekannt gab, hatten wir keine Kandidatin bereit, um diesen Sitz zu sichern. Das sahen wir nicht kommen.

  • SP fordert 25-Franken-Gutschein für 400’000 Zürcher

    Kritiker werfen der rot-grünen Mehrheit im Stadtparlament gerne vor, durchzuregieren. Hinter den Kulissen bilden sich aber vermehrt Allianzen.
    // zum Artikel (Marius Huber)

    Es gibt diesen Vorwurf, der das Establishment der politischen Linken in der Stadt Zürich verlässlich auf die Palme bringt: Arroganz der Macht. Der Vorwurf, dass SP, Grüne und AL ihre politische Agenda ohne Rücksicht durchpauken, seit sie vor knapp zwei Jahren die Mehrheit im städtischen Parlament errungen haben, dem Gemeinderat. Das Gespräch mit dem politischen Gegner werde erst gar nicht mehr gesucht, weil: überflüssig.

    Die Denkschablone hält sich umso hartnäckiger, als sich ihre Plausibilität bei jeder zweiten Gelegenheit zu bestätigen scheint: Ob die Linke nun den Parkplatzkompromiss aufkündigt, das Stadionprojekt torpediert oder dem Parlament eine gendergerechte Sprache vorschreiben will. Sogar enttäuschte Linke bedienen sich dieser Schablone – obwohl sie möglicherweise mehr verdeckt, als sie erklärt. Denn eine Analyse der Arbeit im Zürcher Stadtparlament zeigt: Seit den Wahlen von 2018 gab es dort mehr Kooperation über die politischen Blöcke hinweg, als die Fixation auf die Dauerkonfliktherde Wohnen und Verkehr glauben macht.

    Ausgewertet wurden über 7000 Vorstösse, die Zürcher Ratsmitglieder seit den Neunzigerjahren mit einem Kollegen oder einer Kollegin aus einer anderen Partei eingereicht haben. Solche Vorstösse bilden zwar nur einen Teil der politischen Arbeit ab und liefern kein umfassendes Bild. Sie sind aber nach Einschätzung erfahrener Gemeinderäten durchaus ein Indiz fürs Innenleben des Gemeinderats.

    Augenfällig ist, dass die Zahl der Kooperationen über die Blöcke hinweg ungeachtet der Mehrheitsverhältnissen jahrelang stabil war, dass sie aber bei Abschluss der aktuellen Legislatur deutlich über dem üblichen Niveau liegen dürfte – dieses hat sie schon bei Halbzeit fast erreicht. Das gilt insbesondere für Kooperationen von linken Politikerinnen und Politikern mit solchen aus der Mitte oder von rechts: Wenn der Trend anhält, verdoppelt sich ihre Zahl.

    Man könnte argwöhnen, dass dies nur daran liegt, dass die Parlamentarier allgemein vorstossfreudiger geworden sind. Dies ist tatsächlich der Fall – aber selbst wenn man es in Betracht zieht, bleibt das Bild das gleiche: Anteilsmässig klettern Vorstösse von linken Politikern mit solchen aus der Mitte oder von Rechts gerade einem Rekord von 10 Prozent entgegen.

    Diese Tendenz hat einiges mit den Grünliberalen zu tun, die gehäuft mit der SP zusammenspannen – aber es liegt überraschenderweise auch an der FDP. Obwohl die Freisinnigen der Gegenseite im Rat gerne zunehmenden Dogmatismus vorwerfen, finden sie abseits des Scheinwerferlichts offenbar vermehrt Gemeinsamkeiten mit Vertretern von SP, Grünen und AL.

    Für den erfahrenen FDP-Gemeinderat Albert Leiser ist dies kein Widerspruch. Man stosse bei der Arbeit in den Kommissionen oft auf Leute aus anderen Parteien, die ähnliche Idee verfolgten. «Ich selbst habe mich mit der AL immer wieder für tiefere Gebühren eingesetzt.» Hinzu komme, dass junge Freisinnige ins Parlament nachgerückt seien wie Andri Silberschmidt oder Sebastian Vogel, die in Umwelt- und Klimafragen neue Wege gehen und neue Allianzen ausprobieren.

    Leiser der Ansicht, dass sich die Fronten bei den grossen Themen verhärtet haben. «Früher konnte man mit den Linken auch über Verkehr und Wohnfragen lösungsorientiert reden, heute sind viele fundamentalistischer unterwegs.» Kooperationen gebe es vor allem bei Themen, mit denen man kein Politmarketing betreiben könne. Die jüngsten Vorstösse, die Freisinnige zusammen mit Linken einreichten handeln etwa von Rasensportanlagen, Schulpavillons, Biogas, digitalisierten Baubewilligungsverfahren oder mediterranen Wochen. «Mit sowas lässt sich in der öffentlichen Arena kein Blumentopf gewinnen», sagt Leiser, «da bleibt man automatisch bei der Sache.»

    Die Analyse gemeinsamer Vorstösse von linken und rechten Politikern stützt diesen Eindruck: In früheren Legislaturen betraf jeder dritte das Departement für Tiefbau und Entsorgung, wo der umstrittene Verkehr angesiedelt ist. Zurzeit ist es nur noch jeder siebte. Stattdessen legen Themen aus Hochbau, Schule und Sport zu.

    Eine veränderte Dynamik zwischen links und rechts zeigt sich auch daran, dass linke Politikerinnen und Politiker zurzeit fast die Hälfte ihrer blockübergreifenden Kooperationen mit Vertretern der anderen Ratsseite eingehen. Dieser Wert liegt über dem langjährigen Mittel – und vor allem deutlich über dem Wert der letzten Legislatur, als die Mehrheiten im Rat wacklig waren. Damals arbeitete die Linke vor allem mit der Mitte zusammen. Grabensprünge nach rechts waren die Ausnahme.

    Die naheliegende Erklärung wäre, dass sich Bürgerliche dem politischen Gegner annähern, weil sie wegen der klaren Verhältnisse im Rat auf Stimmen von links angewiesen sind. Für den jungen Freisinnigen Andri Silberschmidt spielt das eine Rolle: «Es gibt sicher Themen, bei denen man als Bürgerlicher im Gemeinderat nicht aus der Oppositionsrolle rauskommt», sagt er, «aber ich will nicht vier Jahre lang immer nur auf den roten Knopf drücken – sondern die Zeit nutzen, um etwas zu bewegen.» Deshalb sehe er sich um, wo es Mehrheiten gebe für Themen, die ihm wichtig sind. Dabei komme ihm zugute, dass er als Neuer im Rat keine alten Animositäten mit sich herumtrage.

    Dennoch herrscht auf der anderen Ratsseite nicht der Eindruck, dass dem Trend eine taktische bürgerliche Charmeoffensive zugrunde liegt. Pascal Lamprecht (SP) und Balz Bürgisser (Grüne), zwei der fleissigsten linken Brückenbauer, sagen, der Impuls zur Zusammenarbeit gehe teils von ihnen selbst aus. Dahinter stehe die banale Erkenntnis, dass man Verbündete auch ausserhalb des eigenen Lagers findet – wenn man miteinander redet.

    «Man sollte jene Personen ins Boot holen, die von einem Thema direkt betroffen sind», sagt Bürgisser. Wo es um die Schule geht, findet sich der Mittelschullehrer etwa mit der Primarlehrerin Yasmine Bourgeois von der FDP.

    Bei Lamprecht sind es oft Leute, die im gleichen Quartier leben, die ähnliche Ideen haben. Und noch etwas anderes spreche für blockübergreifende Kooperationen: «So bekommt man für die eigenen Anliegen beständigere Mehrheiten». Solche, die nicht am nächsten Wahlsonntag wieder über den Haufen geworfen werden. Nur bei Verkehrsthemen gebe es einen schwer überwindbaren Graben.

    Viele der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die gewillt sind, über die Grenzen hinweg zusammenarbeiten, sind untereinander in einem Netz verbunden.

    Lamprecht nimmt darin wie schon in der vorangegangenen Legislatur einen zentrale Position ein. Gut vernetzte Politiker wie er agieren auch als Vermittler, die anderen beim Überwinden von Gräben helfen. Lamprecht sagt, er werde von anderen Sozialdemokraten manchmal gefragt, ob man nicht übers Ohr gehauen werde, wenn man mit dem politischen Gegner gemeinsame Sache mache. Dann ermutigte er sie dazu. Sowas sei spannender, als nur mit den eigenen Leuten zu reden – und müsse nicht dazu führen, dass man die eigene Position verwässere.

    Liegt die Häufung an blockübergreifender Zusammenarbeit also gar nicht an den Mehrheiten im Rat, sondern an einer zufälligen Häufung von Typen – es sind oft Männer –, die gerne über den eigenen Tellerrand hinaus schauen? Darauf deutet der Umstand hin, dass in der letzten Legislatur mit linker Mehrheit, 2006 bis 2010, kein vergleichbarer Effekt zu beobachten war.

    Auffallend viele Politiker, die sich als Brückenbauer hervortun, sind in der Öffentlichkeit relativ unbekannt. Mediale Dauerpräsenz haben andere abonniert, indem sie Schlüsselthemen besetzen und sich mit prägnanten Voten profilieren. Für eine Politkarriere scheint das Wirken im Hintergrund aber kein Nachteil zu sein. Dies zeigt ein Blick auf die Langzeit-Hitparade jener Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die in diesem Netz besonders zentrale Positionen eingenommen haben. Darunter befinden sich zwei spätere Stadträte, Daniel Leupi (Grüne) und Gerold Lauber (CVP) – und knapp dahinter auch Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP).

    Leupi sagt, konsensfähigkeit sei keine Garantie für eine solche Laufbahn, aber sie komme einem Stadtrat zugute. Er selbst habe als Parlamentarier bewusst viele Vorstösse mit Vertretern anderer Parteien eingereicht. Nicht wegen der Karriereplanung, sondern unter anderem, weil für klar gewesen sei, dass die Chancen seiner Anliegen dann steigen. Besonders, wenn er sich mit jemandem aus der Fraktion des zuständigen Stadtrats oder der zuständigen Stadträtin zusammentun konnte. Dabei lerne man sich kennen und schaffe Vertrauen – was später auch bei bedeutenderen Vorlagen nützlich sei.

    Für Leupi ist Kooperation über die Parteigrenzen hinaus nicht zuletzt eine Typenfrage: Er ordnet sich auf der Pragmatismus-Skala nicht an jenem Ende ein, wo es um «parteipolitische Markierungsübungen» gehe. Sondern dort, wo Lösungen gezimmert werden.

  • FDP greift SP-Präsidenten an

    Die FDP will verhindern, dass Marco Denoth eine Besondere Kommission im Zürcher Gemeinderat führt – «wegen seiner dogmatischen Haltung».
    // zum Artikel (Corsin Zander)

    Im Gemeinderat sind die Fronten zwischen der SP und der FDP spätestens seit der Aufkündigung des Historischen Parkplatzkompromisses verhärtet. Einzelne Personalien provozieren offenbar so sehr, dass eine Zusammenarbeit belastet ist, wie der jüngste Knatsch im Rat zeigt.

    Vergangene Woche beschloss der Zürcher Gemeinderat noch einstimmig, dass sich eine sogenannte Besondere Kommission «Siedlung, öffentliche Bauten und Anlagen der Stadt Zürich/Verkehr» (BeKo SLÖBA/V) um die kommunalen Richtpläne kümmert. Angesichts der grossen Tragweite des Geschäfts soll sich eine speziell dafür zusammengesetzte Kommission um die Geschäfte kümmern. Diese umfasst 17 Vertreter aller Parteien, das Präsidium steht der SP zu – so weit, so unumstritten.

    Denoth polarisiert

    Dass die SP nun aber ihren Co-Parteipräsidenten Marco Denoth für das Präsidium der Kommission vorgeschlagen hat, möchte die FDP nicht akzeptieren. «Wir fordern, dass die SP eine Alternative vorschlägt», bestätigt der freisinnige Fraktionspräsident Michael Schmid auf Anfrage. Denoth habe sich in jüngster Zeit mehrfach als «dogmatischer SP-Präsident» in den Medien geäussert. «So fehlt uns das Vertrauen, dass er die Kommission führen und Kompromisse fördern kann», sagt Schmid.

    Zuletzt sorgte Denoth für Schlagzeilen, weil er zur Kündigung des Historischen Parkplatzkompromisses sagte, die ersatzlose Streichung von 770 Parkplätzen ginge noch zu wenig weit. Im September forderte Denoth in der NZZ eine Wende in der Wohnpolitik. Wie in München soll die Stadt in Zürich Zonen einrichten, in denen es für Abbruch, Umbauten, Sanierungen und Wechsel von Miet- zu Eigentumswohnungen besondere Genehmigungen bräuchte, um so Grundeigentum zu entwerten.

    «Zwei Hüte an»

    Beide Haltungen stossen der FDP sehr sauer auf. Ihre Vertreter versagten gestern Abend im Büro des Gemeinderats Denoth die Unterstützung. Deshalb kommt die Wahl nun vor den Gemeinderat.

    Denoth verteidigt sich auf Anfrage: «Ich bin mir bewusst, dass man als Kommissionspräsident und als Parteipolitiker unterschiedliche Hüte an hat.» Er sei nun nach sieben Jahren genug lange im Rat und habe sich immer wieder kompromissbereit gezeigt. Davon zeugen diverse Vorstösse mit anderen Parteien. Und als vor drei Jahren die Bau- und Zonenordnung beraten wurde, habe er in Zusammenarbeit mit dem heutigen FDP-Stadtrat Michael Baumer wesentlich dazu beigetragen, Kompromisse zu finden. So sei die Verdichtung in Quartieren wie Schwamendingen mit Augenmass umgesetzt worden.

  • SP will Gegenmodell zur Reduit-Schweiz

    Mit der Kampagne «Zürich. Offen. Anders.» eröffnet die SP den Vorwahlkampf für die Gemeinderatswahlen. FDP und SVP taten das bereits mit ihren Vorstössen zum Koch-Areal.
    // zum Artikel (Anita Merkt)

    Mit der Kampagne «Zürich. Offen. Anders.» präsentiert die Stadtzürcher SP sich als Garantin des «Gegenmodells zur Reduit-Schweiz». In Anbetracht der «repressiven und fremdenfeindlichen Politik» auf Bundes- und Kantonsebene wolle die SP zeigen, dass es noch eine andere Schweiz gebe, erklärte Co-Präsident Marco Denoth. Die Grossstadt Zürich stehe für die offene Schweiz, die zu einem wesentlichen Teil das Ergebnis der SP-Politik sei.

    Denoth und Co-Präsidentin Gabriela Rothenfluh räumten ein, dass sie mit der Kampagne den Vorwahlkampf im Hinblick auf die Wahlen im Jahr 2018 eröffnen. Die bürgerlichen Kontrahenten FDP und SVP hätten ihrerseits den Wahlkampf mit ihrer «Polemik» gegen das Koch-Areal eingeläutet.

    Vielfältige Lebensentwürfe

    Auf der Website www.zuerich-offen-anders.ch legt die SP dar, wofür die Partei steht – zum Beispiel: soziale Durchmischung, ein gutes Angebot in den Bereichen ausserfamiliäre Kinderbetreuung und Tagesschulen, öffentliche Räume, die allen zugänglich sind, Integration von Flüchtlingen, wirtschaftliche Innovation.

    Als Ort für die Präsentation der Kampagne wählte die SP den Impact Hub am Sihlquai. Dort können Selbstständige einen Arbeitsplatz auf Zeit mieten und sich mit Gleichgesinnten vernetzen. Auf dem zwischengenutzten Gelände lernen zudem Flüchtlinge in der Autonomen Schule Deutsch. «Dieser Ort ist exemplarisch für unser Verständnis von wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Innovation», sagte SP-Gemeinderat Jean-Daniel Strub.

  • Zürcher SP will eine Schweizer Minderheit schützen

    Die Zürcher Sozialdemokraten sorgen sich ums Rätoromanisch. Dass jetzt deren Präsident selber aktiv wird, ist kein Zufall.
    // zum Artikel (Corsin Zander)

    Zürich ist beliebt bei den Bündnern. Das zeigt sich nicht nur bei Spielen des HC Davos im Hallenstadion oder bei der Street Parade. Es schlägt sich auch in der Bevölkerungsstatistik nieder. 2017 lebten fast 10’000 Menschen mit dem Heimatkanton Graubünden in Zürich, etwas weniger als 1500 sprachen Rätoromanisch. Zürich ist ihre grösste Exilgemeinde.Für sie will sich der Co-Präsident der Stadtzürcher SP, Marco Denoth, selber Exil-Bündner, einsetzen. Er hat gestern im Gemeinderat einen Vorstoss eingereicht, der die romanische Sprache retten soll. Diese sei nämlich gefährdet, wenn Menschen in Städte wie Zürich ziehen. Dies zeigt auch eine Studie des Zentrums für Demokratie Aarau, über welche die NZZ kürzlich berichtete: Das Rätoromanische sei dem Kanton Graubünden «zu einem beträchtlichen Teil entwachsen», und ohne wirksame Fördermassnahmen sei die Sprache «existenziell bedroht».

    In Zürich gibt es zwar diverse Institutionen, die das Romanische fördern. Etwa eine romanische Kinderkrippe, einen gemischten Chor oder Vereine, die romanische Anlässe organisieren. Doch diese Angebote seien noch zu wenig bekannt, ist Denoth überzeugt.

    Deshalb fordert er in einem Postulat den Stadtrat dazu auf, eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen, die sich dieses Themas annimmt. Diese soll «aktiv die Bildungs- und Vereinsangebote sammeln und diese in geeignetem Rahmen an die Zürcherinnen und Zürcher weitergeben», wie er in seinem Vorstoss schreibt. Alle Neuzuzügerinnen und Neuzuzüger sollen gar Infomaterial in romanischer Sprache erhalten, fordert Denoth weiter.

    Bund investiert jährlich 5 Millionen Franken

    Das Rätoromanisch wird in der Schweiz schon lange gefördert. Die Dachorganisation der romanischen Sprach- und Kulturvereine, Lia Rumantscha, feierte diesen Sommer ihr 100-jähriges Bestehen. 1938 anerkannten über 90 Prozent der damals noch ausschliesslich männlichen Stimmbevölkerung das Rätoromanisch offiziell als vierte Nationalsprache. Seit 1995 unterstützt der Bund Massnahmen, welche die romanische Sprache fördern. Dafür investiert er etwa fünf Millionen Franken jedes Jahr.

    Heute sprechen landesweit noch etwa 50’000 bis 60’000 Personen Rätoromanisch. Genau lässt sich das nicht sagen, weil es heute keine Volkszählung mehr gibt, die das erheben würde. Nur etwa die Hälfte von ihnen wohnt im Kanton Graubünden, und deshalb müsse die Sprache «überall dort gefördert werden, wo sie gesprochen wird», sagte Gianna Olinda Cadonau, Direktionsmitglied der Lia Rumantscha, im August dem SRF. In diese Richtung zielt auch Denoths Vorstoss im Zürcher Gemeinderat.

  • SP-Präsident fordert radikale Wende in der Wohnpolitik der Stadt Zürich: «Wir sollten Grundeigentum entwerten»

    Marco Denoth, der Präsident der mächtigsten Partei der Stadt Zürich, macht Ernst: Um Luxussanierungen und Verdrängung zu verhindern, brauche es «massive Eingriffe in Grund- und Bodenrechte». Als Vorbild soll München dienen.
    // zum Artikel (Daniel Fritzsche)

    Herr Denoth, Sie ärgern sich über die Entwicklung auf dem Stadtzürcher Wohnungsmarkt. Was ist denn so schlimm?

    Es braucht endlich mehr bezahlbare Wohnungen in Zürich. Das ist ein Auftrag der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, so haben sie es in der Gemeindeordnung verankert. Bis 2050 soll jede dritte Wohnung in der Stadt gemeinnützig vermietet werden. Die Stadt unternimmt zwar viel, um dieses Drittelsziel zu erreichen. Doch der Handlungsspielraum reicht nicht mehr aus. Wir haben eine Art gläserne Decke erreicht. Die Mieten steigen, ganze Bevölkerungsgruppen werden aus ihren Quartieren verdrängt. Das ist ein riesiges Problem.

    Hauseigentümer müssen ihre Investitionen ja irgendwie amortisieren. Etwa dann, wenn sie ihre Liegenschaft nach neuen Umweltstandards sanieren.

    Ja, natürlich. Gegen leichte Mietzinserhöhungen spricht in solchen Fällen auch nichts. Was aber nicht geht, ist, dass sich Mietzinse nach einer Luxussanierung oder einem Umbau verdoppeln. Von solchen Fällen höre ich immer wieder. Das ist einfach nur unanständig.

    Was schlagen Sie vor?

    Schon heute sorgen wir von der SP dafür, dass auf städtischem Land ausschliesslich kostengünstige Wohnungen entstehen und dass es in städtischem Besitz bleibt. Wenn Gestaltungspläne beantragt werden, bringen wir immer das Thema Gemeinnützigkeit auf den Tisch. Trotzdem dreht sich die Immobilienpreisspirale munter weiter. So kann es einfach nicht weitergehen. Darum bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass der einzige Weg für mehr bezahlbare Wohnungen nicht ohne massive Eingriffe in Grund- und Bodenrechte zu erreichen sein wird. Genauso braucht es härtere Massnahmen, um gegen Gentrifizierung und Verdrängung vorzugehen.

    «Massive Eingriffe», «härtere Massnahmen», das tönt nach einer Drohung.

    Es gibt in Zürich sehr viele anständige Vermieter. Aber es gibt eben auch die anderen. Dort müssen wir Druck aufsetzen. Wirklich griffige Mittel fehlen heute. Wir müssen Liegenschaftsbesitzer in besonders sensiblen Gebieten animieren oder im Notfall auch dazu zwingen, dass sie die Gentrifizierung nicht weiter anheizen.

    Was schwebt Ihnen vor?

    München verfolgt seit über 30 Jahren ein sehr interessantes Modell, die sogenannten Erhaltungssatzungen. Die Stadt legt ohne Vorankündigung gewisse Gebiete fest, in denen dann spezielle Regeln gelten. Für Abbruch, Umbauten, Sanierungen und Wechsel von Miet- zu Eigentumswohnungen braucht es in diesen Zonen eine besondere Genehmigung. Auch wenn ein Eigentümer seine Liegenschaft verkaufen will, muss er dies zuerst von der Stadt genehmigen lassen – konkret vom dortigen Sozialdepartement. Die Stadt hält immer ein Vorkaufsrecht. Falls sie dieses Recht nicht wahrnimmt, handelt sie mit dem Eigentümer einen Vertrag aus, worin festgehalten ist, dass in der Liegenschaft auch in Zukunft günstig gewohnt werden muss. So wird die angestammte soziale Durchmischung im Quartier geschützt. Die Münchner umschreiben das Prinzip auch mit «Milieuschutz». Für Zürich brauchen wir wohl einen unverfänglicheren Namen, «Verdrängungsschutz» zum Beispiel.

    Dann müsste in der Stadt Zürich also künftig bei jeder Handänderung und jedem Umbau der Sozialvorsteher Raphael Golta seinen Segen geben?

    So ist es in München gelöst. Ob es nun Raphael Golta oder ein spezielles Gremium wäre, müsste man dann schauen. Bestechend finde ich den Gedanken, dass bei Verkäufen, Umbauten und Sanierungen die soziale Frage stets mitgedacht wird.

    Da werden doch Dinge vermischt, die gar nichts miteinander zu tun haben. Am Ende geht es einfach darum, Hauseigentümern das Leben schwerzumachen.

    Die Stadtentwicklung sollte nicht einfach nur auf bauliche Richtlinien abgestützt werden. Schon heute wäre im kantonalen Planungs- und Baugesetz eigentlich festgehalten, dass in sogenannten Quartiererhaltungszonen die bestehende «Nutzungsstruktur» erhalten bleiben soll. Neben denkmalschützerischen Aspekten sollte in solchen Gebieten auch das soziale Gefüge eines Quartiers nicht verändert werden, finde ich. In der heutigen Bewilligungspraxis wird das Thema aber leider ausgeklammert. Das sollte sich ändern.

    Nennen Sie bitte ein Beispiel.

    Nehmen wir den Kreis 5. Der vibrierte früher richtig, heute ist er an vielen Orten langweilig. Es wird viel und teuer saniert und umgebaut. Ein neue, wohlhabende Klientel zieht hin, alteingesessene Quartierbewohner können sich die schicken Wohnungen nicht mehr leisten. Wenn wir zumindest einen Teil des Kreises unter eine Erhaltungssatzung stellen würden, könnten wir dieser Entwicklung etwas entgegensetzen.

    «Mit Klientelpolitik hat dies gar nichts zu tun. Bei Abstimmungen sprechen sich immer 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung für unsere Wohnpolitik aus. Alle Zürcherinnen und Zürcher sollten in einer bezahlbaren Wohnung leben können.»

    Sie stellen das Gebiet also quasi unter eine «soziale Käseglocke». Eine bauliche Entwicklung würde so praktisch verunmöglicht.

    Verunmöglicht sicher nicht. Aber Fragen wie Verdrängung und Gentrifizierung würde endlich ein höherer Stellenwert beigemessen. Ausgeschieden würden ohnehin nur Gebiete, in denen keine grossen Neubauten mehr möglich wären, sondern nur Sanierungen.

    Gleichzeitig wird überall gefordert, dass sich die Stadt nach innen verdichten soll. Das würde mit solchen Schutzzonen wesentlich schwieriger.

    Mag sein. Aber alles ist besser, als wenn heutige bezahlbare Wohnungen verschwinden. Wir haben immer gesagt, dass wir grundsätzlich eine Verdichtung gegen innen, also mehr Dichte auch in bestehenden Wohnquartieren, unterstützen – erstens aber darf dies nicht zu Verdrängung von bisherigen Bewohnerinnen und Bewohnern führen, und zweitens muss ein angemessener Mehrwertausgleich geleistet werden.

    Mit einem solchen sozialen Heimatschutz betreiben Sie doch einfach Klientelpolitik. Ihre Wähler, die heute in günstigen Wohnungen leben, haben die Garantie, dass sie es auch in Zukunft tun können.

    Mit Klientelpolitik hat dies gar nichts zu tun. Bei Abstimmungen sprechen sich immer 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung für unsere Wohnpolitik aus. Alle Zürcherinnen und Zürcher sollten in einer bezahlbaren Wohnung leben können – besonders die Schwächsten der Gesellschaft: Seniorinnen, Alleinerziehende und Ausländer.

    Pech haben dann nur all jene, die nicht in einer solchen privilegierten Zone wohnen. Ausserhalb steigen die Mieten einfach noch mehr.

    Das müsste zuerst erwiesen werden. Wesentlich ist, dass an gewissen Orten in der Stadt die Mieten sicher nicht mehr ins Unermessliche steigen. Dann wäre schon viel erreicht.

    Funktioniert das Prinzip denn in München? Es gilt immer noch als die deutsche Grossstadt mit den höchsten Mieten.

    Ja, aber es stellt sich die Frage, was passiert wäre, wenn die Stadt diese Massnahme nicht ergriffen hätte. Dann wären die Durchschnittsmieten vermutlich noch höher. In den Gebieten mit Erhaltungssatzung sind die Mieten jedenfalls tiefer als in solchen ohne.

    München liegt in Deutschland und Zürich in der Schweiz. Die rechtlichen Voraussetzungen für Ihre Idee werden kaum gegeben sein.

    Tatsächlich ist im deutschen Grundgesetz ein ganz entscheidender Passus festgehalten, der in unserer Bundesverfassung fehlt: Eigentum verpflichtet, und sein Gebrauch soll dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Aus diesem Prinzip leitet sich die Münchner Erhaltungssatzung ab. So einen Grundsatz braucht es auch in der Schweiz. Allenfalls reicht aber auch schon eine Änderung auf kantonaler Ebene. Die Städte sollen mehr Spielraum erhalten, um Probleme wie Gentrifizierung zu bekämpfen.

    Im Wahl-Podcast der SP haben Sie kürzlich gesagt, dass Sie das Drittelsziel in Zürich notfalls auch mit Enteignungen, wie sie derzeit in Berlin angedacht sind, durchsetzen wollen.

    Ich wurde dort gefragt, was ich täte, wenn ich einen Entscheid undemokratisch – quasi als absolutistischer Monarch von Zürich – umsetzen könnte. Nun leben wir aber in einer Demokratie, und das ist natürlich auch gut so. Dass grosse Immobilienfirmen wie in Berlin vergesellschaftet werden sollen, halte ich in Zürich für keine Option. Dies passt nicht zu unserer Geschichte und unserem Rechtssystem.

    Trotzdem forderte Ihre Jungpartei, die Juso, jüngst die «komplette Vergesellschaftung von Immobilien» in Zürich. Haben Sie sich die Jungmannschaft schon zur Brust genommen?

    Das muss ich nicht. Die Vorschläge der Juso sind immer sehr gut und wertvoll, um Diskussionen anzustossen. Meine Meinung ist aber, dass wir vorerst nicht enteignen, sondern Grundeigentum entwerten sollten. Genau dies geschähe mit Massnahmen à la Münchner Erhaltungssatzung. Die enorme Wertsteigerung, die viele Grundstücke in der Stadt Zürich in den letzten Jahren erfahren haben, haben die Eigentümer zu grossen Teilen dem Staat zu verdanken. Darum ist es nichts als recht, wenn der Wert nun wieder sinkt.

    Welche Forderungen haben Sie sonst an den Stadtrat – vor allem, wenn es um Immobilienkäufe geht?

    Der Stadtrat muss den Markt aktiv beobachten. Es darf nicht sein, dass er von freien Grundstücken erst auf Homegate erfährt. Und wenn es dann um den Kaufpreis geht, darf die Stadt gerne tiefer in die Tasche greifen. In Zürich Leutschenbach hätte sie der SRG eine wertvolle Landparzelle abkaufen können. Sie bot aber bloss 40 Millionen Franken. Swiss Life zahlte mehr als das Doppelte. Hier hätte die Stadt zugreifen sollen. Natürlich sollte sie keine überrissenen Preise zahlen, aber weniger knausrig als bisher muss sie sein.

    Sie wollen das Geld mit beiden Händen ausgeben. Ist das finanzpolitisch nicht fahrlässig?

    Landkäufe sind für die Stadt eigentlich immer ein gutes Geschäft. Das zeigt die Vergangenheit. Die Grundstücke gewinnen in der Regel an Wert.

    Es ist doch nicht gesagt, dass diese Entwicklung immer so weitergeht.

    Ja, aber momentan kann man davon ausgehen. Und wenn die Entwicklung einmal kehren sollte, dann hat die Stadt ohnehin ganz andere Probleme.

  • Sichere Velorouten in Zürich

    Weniger Unfälle und CO2-Ausstoss, mehr Sicherheit und Lebensqualität: Von einem durchgehenden Netz von Velorouten profitieren alle Zürcherinnen und Zürcher. Das Komitee der Velorouten-Initiative zeigt mit einem konkreten Routenplan, wie Zürich endlich zur Velostadt werden könnte.
    // zum Artikel

    Im März 2019 wurde die neueste Unfallstatistik veröffentlicht. Die Zahlen stellen der Velopolitik in der Stadt Zürich eher schlechte Noten aus. So hat sich die Anzahl der Velounfälle seit 2011 mehr als verdoppelt. Das Sicherheitsdepartement der Stadt Zürich sprach von einem «ungelösten Problem» und anerkannte auch, dass die Veloinfrastruktur bisweilen ungenügend ist.

    Auch Befragungen der VelofahrerInnen in der Stadt Zürich zeigen, dass Nachholbedarf besteht: Für die Verkehrsführung der Velowege gibt es schlechte Noten und mehr als 50 Prozent der Befragten geben an, sich im Strassenverkehr auf dem Velo nicht sicher zu fühlen. Ganze 80 Prozent wünschen sich vom restlichen Verkehr abgegrenzte Velorouten in Zürich.
    Sowohl die steigende Anzahl Velounfälle als auch die eindeutigen Umfrageergebnisse zeigen, dass Zürich in Bezug auf sichere Velorouten meilenweit sowohl hinter Velostädten wie Kopenhagen und Amsterdam als auch deutschen Städten wie Hamburg, München oder Konstanz zurückliegt. Dafür kann man auch Filippo Leutenegger (FDP) verantwortlich machen, der die letzten vier Jahre trotz klaren Aufträgen und Volksabstimmungen in der Velopolitik ideologisch jeden Fortschritt blockierte.

    Zürich soll zur Velostadt werden

    Um Zürich endlich zur Velostadt zu machen, haben wir deshalb in einem breiten Bündnis von SP, Grünen, AL, GLP, Pro Velo und umverkehR 2017 die Velorouten-Initiative lanciert. Die Initiative fordert ein durchgängiges Netz von 50 km Velorouten, die grundsätzlich autofrei sind und auf denen sich Velos zügig und sicher fortbewegen können.

    Wie sehr das Thema den ZürcherInnen unter den Nägeln brennt, zeigte bereits die Lancierung der Initiative: Innerhalb von nur einem Tag konnten wir mehr als 4500 Unterschriften sammeln – 3000 gültige Unterschriften sind für eine städtische Initiative nötig. Damit stellte die Velorouten-Initiative einen neuen Sammelrekord auf.

    Vor wenigen Tagen hat nun das Initiativkomitee einen Plan vorgelegt, wie die Velorouten-Initiative umzusetzen wäre. Der Routenplan zeigt, dass man in Zürich ein Netz von durchgängigen Velorouten umsetzen kann. Dazu würden einzelne Quartierstrassen in Velorouten umgewandelt und entsprechend markiert. Damit sich die Velos auf diesen Routen sicher und zügig fortbewegen können, müsste der Durchgangsverkehr für Autos gesperrt werden. Für AnwohnerInnen, Personen mit eingeschränkter Mobilität und das Gewerbe gäbe es aber natürlich Ausnahmebestimmungen.

    Gut fürs Klima, gut für die Menschen

    Will man als Stadt Zürich den CO2-Austoss senken und die nötigen Klimaziele erreichen, ist es unumgänglich, den Veloverkehr zu fördern. Die holländische Velo-Expertin Saskia Kluit, die die Velorouten-Initiative unterstützt, sagte in einem Interview mit dem ‹Tages-Anzeiger›: «Einige Autolenker würden aufs Velo umsteigen, wären die Bedingungen besser. Auf abgetrennten Routen ist die Sicherheit für die Velofahrer grösser als auf normalen Radstreifen. Es zählt nicht die messbare Sicherheit, sondern ob sich die Velofahrer sicher fühlen. Ist dem so, fahren mehr Leute Velo – dann nutzen Kinder das Velo für den Schulweg und Senioren für kurze Ausflüge.» Und weniger Autos in der Stadt bedeuten auch weniger Lärm und Luftverschmutzung – ein mehr als willkommener Nebeneffekt!

    Von einem durchgängigen Velorouten-Netz würden jedoch nicht nur die VelofahrerInnen profitieren. Mit den Velorouten könnten Fuss-, Velo- und Autoverkehr endlich sauber voneinander getrennt werden. Das schafft für alle Verkehrsteilnehmenden mehr Sicherheit – und weniger Ärger. Die Velorouten-Initiative sorgt also für eine höhere Lebensqualität für alle statt für wenige.

    Dass die Mehrheit der Bevölkerung in der Stadt Zürich endlich Fortschritte bei der Velo-Förderung fordert, zeigen vergangene Abstimmungen – zum Beispiel über die Velo-Initiative (2015) oder über den Bundesbeschluss Velo (2018). Mit dem Routenplan liegt nun ein konkreter Umsetzungsvorschlag für die Velorouten-Initiative auf dem Tisch. Jetzt ist der Stadtrat gefordert: Er muss nun die Initiative zur Annahme empfehlen oder zumindest einen sehr weitreichenden Gegenvorschlag vorlegen – damit Zürich nach all den Jahren endlich zur Velostadt werden kann.

  • Klare Absage an Olympia

    Der Zürcher Gemeinderat will sich unmissverständlich gegen eine Beteiligung an den Olympischen Winterspielen 2026 in Graubünden aussprechen.
    // zum Artikel (Jürg Rohrer)

    Am 12. Februar 2017 stimmt der Kanton Graubünden auf Geheiss seiner Regierung über 25 Millionen Franken ab, mit denen das Projekt Olympische Winterspiele 2026 weitergetrieben werden soll. Das Konzept sieht vier Austragungsorte vor: St. Moritz, Davos, Chur und den Grossraum Zürich. Kloten ist für das Eishockey vorgesehen, Zürich mit dem Hallenstadion und der ZSC-Lions-Arena für Eiskunstlauf, Short Track und Eishockey sowie Eisschnelllauf in einer provisorischen Halle. Hinzu kommen in Zürich das Medienzentrum, eine Medal Plaza und Teile der Eröffnungs- und Schlussfeier. So steht es auf der offiziellen Website olympia.gr.ch.

    Zürich ziert sich

    Schon dreimal hat die Bündner Regierung schriftlich beim Stadtrat angefragt, ob und wie weit er sich eine Beteiligung an der Kandidatur vorstellen könne. Antwort: Zürich will weder Sportanlagen bauen, noch Host City sein, noch im Organisationskomitee mitwirken und schon gar keine finanziellen Garantien abgeben.

    Im dritten Schreiben vom letzten September steht allerdings: «Hingegen wäre der Stadtrat im Falle eines Zuschlags für die Kandidatur ‹Graubünden – Zürich 2026› gern bereit, Gespräche über eine Einbindung der Stadt Zürich zu führen und zu prüfen, inwieweit er im Rahmen der ihm zustehenden Finanzkompetenzen Unterstützung leisten könnte. Insbesondere wäre der Stadtrat sehr gern bereit, die gemäss vorgestelltem Sportkonzept für die Kandidatur vorgesehenen bestehenden eigenen Sportanlagen (Stadion Letzigrund für Eröffnungs- und Schlussfeier) und die übrige bestehende städtische Infrastruktur (Sechseläutenplatz als Medal Plaza) allenfalls gegen Entschädigung zur Verfügung zu stellen.»

    Spätestens mit diesen Sätzen ist es vielen im Parlament unheimlich geworden. SP, Grüne, Alternative und eine Mehrheit der Grünliberalen haben deshalb am Mittwoch eine Interpellation mit sieben Fragen eingereicht. Sie wollen Details zu den bisherigen Gesprächen wissen und was der Stadtrat dazu meint, dass Graubünden über ein Konzept abstimmt, das Zürich als Austragungsort vorsieht, obwohl die Stadt ihre Mitarbeit mehrfach verweigert habe. Allerdings bezog sich diese Mitarbeit auf die Kandidatur bei Swiss Olympic, wo sich noch andere Kantone und Gemeinden bewerben.

    «Die Stadt hat Wichtigeres zu finanzieren,
    etwa das preisgünstige Wohnen und
    die ausserfamiliäre Kinderbetreuung.»
    Marco Denoth, SP-Co-Präsident

     

    Für den Fall, dass sich Swiss Olympic im September 2017 für Graubünden entscheidet, wollen es die Gemeinderäte genau wissen: «Unter welchen Umständen kann sich der Stadtrat vorstellen, als Host City für Switzerland 2026 zu fungieren?»

    Diese Interpellation verschafft dem Gemeinderat endlich die Möglichkeit, sich zu Olympia 2026 zu äussern. Anders war das bisher nicht möglich, da es von keiner Seite Anträge ans Parlament gab. Am kommenden Mittwoch wird der Vorstoss für dringlich erklärt, wofür die vier Fraktionen eine Mehrheit haben. Dann muss der Stadtrat die Fragen innert 30 Tagen beantworten, worauf das Parlament Anfang nächsten Jahres dazu Stellung nimmt.

    «Wir wollen eine klare Botschaft gegen diese Spiele aussenden», erklärt SP-Gemeinderat Marco Denoth, Co-Präsident der SP Stadt Zürich. Der Stadtrat habe sich bisher zu vage geäussert. Die Stimmberechtigten von Graubünden sollen vor der Abstimmung wissen, dass die Stadt Zürich nicht mitmachen wird. Der Hauptgrund sind für die SP die Finanzen. Die Stadt Zürich habe Wichtigeres zu finanzieren, insbesondere das preisgünstige Wohnen und die ausserfamiliäre Kinderbetreuung. Denoth verhehlt auch nicht, dass sich das Zürcher Nein gegen das Internationale Olympische Komitee IOK richtet. Es fordere stets viel und liefere nichts. Die Veranstalter würden auf Kosten der öffentlichen Hand Defizit machen und mit Fernsehgebühren viel Geld absahnen. Ähnlich hatten wohl auch die Bündner gedacht, als sie im März 2013 die Kandidatur für die Winterspiele 2022 ablehnten.

  • Ist das die Lösung fürs Globus-Provisorium?

    Der Zürcher Stadtrat will das Gebiet zwischen dem Hauptbahnhof und dem Central leerräumen.
    // zum Artikel (Patrice Siegrist)

    Donnerstagnachmittag, 14.52 Uhr. Der Zürcher Stadtrat veröffentlicht eine Medienmitteilung, die man aufgrund der Vorgeschichte als historisch bezeichnen darf. Die Stadt hat ein Projekt vorgelegt, wie es auf dem Papierwerd-Areal rund um das Globus-Provisorium in Zukunft aussehen soll. Das Providurium, das seit über 50 Jahren neben der Bahnhofbrücke steht und die Stadtzürcher Gemüter erhitzt, soll verschwinden.

    Die Stadt möchte das oberirdische Haus, in dem heute der Coop untergebracht ist, abbrechen. Der Laden soll in das bereits heute existierende Untergeschoss umziehen. Die heutigen Parkplätze sollen ebenfalls verschwinden und in den Untergrund: Im zweiten Untergeschoss sieht das Projekt ein öffentliches Parkhaus vor. Zusätzlich ist eine Verlängerung des kurzen Autotunnels Richtung Urania-Wache angedacht. All diese Veränderungen sollen einem grosszügigen Platz mit einem Pavillon Raum bieten. Und zu guter Letzt will die Stadt den Mühlesteg an eine neue Lage verlegen und verbreitern.

    Für die Projektierung dieser Vorschläge braucht die Stadt Geld: 4,1 Millionen Franken, heisst es in der Mitteilung. Diesen Kredit beantragt die Regierung jetzt dem Gemeinderat.

    Grünliberale begeistert

    Eigentlich war das 1961 eröffnete Provisorium auf fünf Jahre angelegt. Das Warenhaus Globus liess es bauen, um die Zeit zu überbrücken, bis der Neubau an der Pestalozziwiese fertig war. Als der Stadtrat sich 1968 gegen ein autonomes Jugendzentrum im Provisorium entschied, endete das im berüchtigten Globus-Krawall.

    Parlamentarier haben in den vergangenen Jahren wiederholt Vorstösse im Gemeinderat zum Globus-Provisorium eingereicht. Sie alle forderten eine Aufwertung des Areals. Im Februar 2013 reichten schliesslich die Grünliberalen eine Motion ein, die eine Neugestaltung des Areals sowie die Erarbeitung eines Nutzungskonzepts verlangte. Sie fand schliesslich eine Mehrheit im Rat, die gestrige Mitteilung ist nun das Resultat.

    Bei den Grünliberalen ist die Freude über die Mitteilung vom Stadtrat dann auch am grössten. «Wir sind begeistert, dass nun endlich ein Projekt auf dem Tisch liegt», sagt GLP-Fraktionspräsidentin Isabel Garcia. Die ersten Bilder überzeugen sie. «Dieses Projekt bringt Luft an einen Ort, den man heute getrost als hässlich bezeichnen kann.» Dadurch erhalte man zwar keine freie Sicht aufs Mittelmeer, «aber immerhin auf die Limmat – oder vielleicht bis zum See».

    Grüne verärgert

    Auch andere Parteien begrüssen die Nachricht, dass sich jetzt endlich etwas verändert, sie haben aber ihre Vorbehalte. «Ich finde es gut, dass es jetzt vorwärtsgeht, bevor die Stadt das Provisorium noch unter Denkmalschutz stellt», sagt etwa FDP-Gemeinderat Michael Baumer. Das Projekt wirke «sympathisch», aber ob dann wirklich alle Ideen umgesetzt werden könnten, hänge auch von den Kosten ab. SP-Co-Präsident Marco Denoth klingt etwas enttäuscht: «Das Projekt ist nett – viel mehr aber auch nicht. An diesem Ort hätte es etwas Grösseres, Eindrückliches vertragen.»

    Harte Worte wählen die Grünen in ihrer Medienmitteilung. «Besonders ärgerlich ist die Idee des Stadtrates, am mit dem öffentlichen Verkehr bestmöglich erschlossenen Punkt in der Stadt Zürich ein öffentliches Parkhaus zu errichten und einen Tunnel zu planen.» Das Projekt stehe isoliert im Raum, und der Stadtrat mache «sich keinerlei Gedanken zur Lösung der Verkehrsprobleme im Raum Bahnhof–Central». Es sei absolut unverständlich, dass der Stadtrat solche autofixierten Ideen mittrage.

    Verkehrsbedenken äussert auch Mauro Tuena, Präsident der Stadtzürcher SVP: «Das Projekt darf den Autoverkehr in keiner Weise beeinträchtigen.» Ein allfälliger Spurabbau auf dieser Hauptverkehrsachse wäre untolerierbar. Zudem müssten die Parkplätze, die wegfielen, eins zu eins im Parkhaus kompensiert werden, ohne dass die Parkgebühren erhöht würden, fordert Tuena.

    Baubeginn frühstens 2022

    Die Stadt will nun einen Projektwettbewerb lancieren. Im Rahmen des Wettbewerbs würden verschiedene Variantenkombinationen geprüft. Das hätte laut Stadtrat den Vorteil, dass die Stadt das Projekt in zwei Schritten umsetzen könnte: zuerst mit einem kleineren Platz und der bestehenden Unterführung. Später könnte man das Projekt durch eine Verlängerung der Unterführung weiterentwickeln.

    Stimmt der Gemeinderat dem Projektierungskredit zu, würde die Stadt voraussichtlich 2021/2022 ein Bauprojekt vorlegen. 2022/2023 könnte laut Mitteilung mit dem Bau begonnen werden. Das Ende des Provisoriums ist also angekündigt, es bleibt den Zürchern aber noch einige Jahre erhalten.

  • Parlament pocht auf Schnellrouten

    Der Regierungsrat will nichts von schnellen Verbindungen für Velos in der Stadt wissen. Der Gemeinderat aber lässt nicht locker.
    // zum Artikel (Thomas Zemp)

    Der Zürcher Gemeinderat macht Druck auf den Stadtrat: Gestern Mittwoch hat eine linke Mehrheit mit SP, GLP, Grünen und AL eine Motion überwiesen, mit der sie vier längere, durchgängige Velorouten verlangt. Auf ihnen sollen Velofahrer möglichst störungsfrei und ungehindert vorwärtskommen, also ohne viele Kreuzungen. Und wenn doch, dann mit Vortritt.

    Das erhöhe die Sicherheit für Velofahrer und Fussgänger, zudem werde der Autoverkehr weniger gestört, weil alles getrennt sei, sagte Marco Denoth (SP), der den Vorstoss mit Sven Sobernheim (GLP) eingereicht hatte. FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger hatte sich im Parlament bereit erklärt, diesen als weniger verbindliches Postulat entgegenzunehmen.

    Neu ist die Idee mit den Veloschnellrouten nicht. Der Gemeinderat hatte sie im letzten Frühling im regionalen Richtplan beantragt. Doch die Kantonsregierung sagte Nein dazu. «Mit einer formaljuristischen Begründung, dass es keine Definition dafür gebe», sagte Denoth. Er griff auch den Stadtrat an. «Filippo Leutenegger bremst bei der Velostrategie, statt dass er damit vorwärtsmacht.» Er verzögere Veloprojekte. «Das ist nicht die Politik dieses Parlaments. Und auch nicht die der Bevölkerung.» Die Grünen schlossen sich den Motionären an und verlängerten die vorgeschlagenen Routen sogar noch.

    Irritierter Stadtrat

    Leutenegger war irritiert über die Vorwürfe und erwiderte, die Forderungen der Motion seien gar nicht umsetzbar. Zudem plane die Stadt Velostreifen und -routen, wenn Leitungen unter einer Strasse oder die Tramgleise erneuert werden müssten. «Was ihr wollt, ist doppelt gemoppelt und viel teurer.»

    Die Bürgerlichen wehrten sich gegen die Motion. Für die CVP sagte Markus Hungerbühler, er wolle zuerst Resultate eines Versuchs mit einer Veloschnellroute sehen. Derek Richter (SVP) sprach von purem Egoismus und einer unschweizerischen Zwängerei. Bernhard im Oberdorf (SVP) nannte die Routen «gefährliche Veloraserstrecken». Und Alexander Brunner von der FDP fand solche Routen nicht nötig. Er komme auch so schnell durch die Stadt. «Das Problem ist jedoch das Bellevue, doch dort gibt es wohl keine Lösung.»

  • SVP distanziert sich von ihrem Gemeinderat

    Daniel Regli sorgte mit schwulenfeindlichen Aussagen für einen Eklat im Zürcher Stadtparlament. Brisant: Einer der fünf Stadtratskandidaten der Bürgerlichen ist selbst homosexuell.
    // zum Artikel (Beat Metzler)

    Mehrmals musste SVP-Gemeinderat Daniel Regli neu ansetzen, als er während der Budgetdebatte vom vergangenen Samstag in menschenverachtender Art und Weise über Homosexuelle herzog. Etliche Parlamentarier versuchten, ihn mit Zwischenrufen zu unterbrechen, andere verliessen den Ratssaal.

    Den Jungsozialisten (Juso) geht das zu weit. In einer Medienmitteilung verlangen sie Reglis Rücktritt. Der Politiker, der sich selbst als «Christ» beschreibe, könne von Glück reden, dass die Rassismus-Strafnorm diskriminierende Aussagen gegenüber Homosexuellen nicht erfasse, sagt Lara Can, Co-Präsidentin der Zürcher Juso: «Sonst müsste er mit einer Anzeige rechnen.» Regli sei die sichtbare Spitze einer ansonsten nicht offen geäusserten Verachtung. «Er hat gesagt, was viele in seiner Partei denken», heisst es in der Mitteilung.

    Daniel Regli lehnt einen Rücktritt auf Anfrage ab: «Das kommt nicht infrage.» Ob und wie er sich für seine Aussagen entschuldige, das entscheide die Fraktion. Mit dieser habe er die Aussagen vorher nicht abgesprochen. Sie wären dort wohl auch nicht akzeptiert worden. Dass sein Votum «heftig» war, räumt Regli ein. Ihm gehe es um die Kinder, sagt er, sie würden «desorientiert» durch die Art, wie die Fachstelle Lust & Frust Homosexualität thematisiere: «Das ist sektiererisch.» SVP-Fraktionschef Martin Götzl hat Regli nach der Debatte vom Samstag zur Rede gestellt: «Für mich ist die Sache damit erledigt.» Mit seiner Kritik an der proaktiven Haltung der Fachstelle für Sexualpädagogik und Beratung habe Daniel Regli inhaltlich recht: «Er hätte allerdings sensibler formulieren können.»

    Als «deplatziert» bezeichnet SVP-Stadtpräsident Mauro Tuena Reglis Aussage. «Das ist keine Wortwahl, welche die SVP gebraucht; davon distanzieren wir uns.»

    Das Votum überraschte wenige

    Die SP unterstützt die Forderung ihrer Jungpartei. «Man darf kritisch sein gegenüber Homosexuellen, man darf in Debatten auch hitzig werden», sagt Alan David Sangines, SP-Gemeinderat, der sich für homosexuelle Anliegen einsetzt. «Aber Herr Regli ist wirklich zu weit gegangen.» Auch Partei-Co-Präsident Marco Denoth hält Daniel Regli nicht mehr für tragbar. «Ich will ihn nicht mehr sehen.»

    Regli hatte die erhöhte Selbstmordrate unter Homosexuellen mit deren Sexualpraktiken erklärt. Eine perfide Unterstellung, findet Sangines. «Dass es überdurchschnittlich vielen Homosexuellen psychisch schlecht geht, liegt gerade an Menschen, die Schwule diskriminieren. So, wie es Herr Regli tut.»

    Überrascht habe Reglis Votum kaum jemanden, sagt Sangines. Seine Abneigung gegenüber Schwulen habe er schon mehrmals geäussert. Während der Zeit, als Mauro Tuena Fraktionschef gewesen sei, habe Regli selten zu solchen Themen gesprochen. Am Samstag hingegen habe es die SVP geradezu darauf angelegt, indem sie Regli die entsprechenden Sparanträge vorstellen liess. «Früher war die SVP-Fraktion anders geführt», sagt Sangines. Dieses Urteil teilen mehrere angefragte Gemeinderäte aus anderen Parteien.

    Der jetzige SVP-Fraktionschef Götzl bestreitet eine Absicht. In der Budgetdebatte hätten immer diejenigen Gemeinderäte die Sparanträge vorgetragen, die sich am fundiertesten auf das Thema vorbereitet haben. «Beim Schul- und Sportdepartement war das Herr Regli», sagt Götzl. Man habe dessen Votum nicht vorhergesehen. Ausserdem handle es sich bei allen Gemeinderäten um gewählte Volksvertreter, die man nicht bevormunden müsse.

    Top-5-Bündnis in Gefahr?

    Aus Sicht der Linken untergraben Daniel Reglis Äusserungen die Zusammenarbeit zwischen SVP, FDP und CVP für die Stadtzürcher Wahlen im März 2018. Einer der bürgerlichen «Top 5»-Kandidaten, Markus Hungerbühler (CVP), lebt selber mit einem Mann zusammen. «Wenn innerhalb eines Bündnisses solche Beleidigungen fallen, wirkt es unglaubwürdig. SVP und FDP hätten sich viel stärker distanzieren müssen», sagt SP-Co-Präsident Marco Denoth.

    Hungerbühler persönlich sieht das anders. Er verurteilte Reglis Statement schon am Samstag im Rat: «Total daneben und peinlich.» Reglis Haltung bilde innerhalb der SVP aber eine Ausnahme, solche könne es überall geben, sagt er. «Bei den SVPlern, die ich kenne, handelt es sich um aufgeschlossene Leute.» Er stehe hinter dem Top-5-Bündnis.

    Für FDP-Stadtratskandidat Michael Baumer hat die «unangebrachte Aussage» nichts mit dem Top-5-Wahlkampf zu tun: «Die beiden SVP-Stadtratskandidaten Susanne Brunner und Roger Bar­tholdi vertreten ein anderes Gedankengut», sagt Baumer. «Das zählt.»

    Die Rücktrittsforderung der Juso wird sich übrigens bald von alleine erfüllen. Im März wird Regli nicht mehr antreten. Dies habe er, sagt Regli, bereits im vergangenen Sommer entschieden.

  • Linke wehrt sich gegen neue SBB-Wohnungen

    Ein Verein will auf dem Zürcher Neugasse-Areal für 900 Personen gemeinnützige Wohnungen statt nur für 300. Jetzt reiht sich die SP in den Widerstand gegen das SBB-Projekt ein.
    // zum Artikel (Patrice Siegrist)

    Die SBB haben Grosses vor im Kreis 5 – gross ist auch der Widerstand dagegen. Auf dem 30’000 Quadratmeter grossen Neugasse-Areal, zwischen Viadukt und den sogenannten Sugus-Häusern, wollen die SBB Wohnungen für 900 Personen bauen. Ein Drittel davon soll gemeinnützig sein. Darauf haben sich SBB und Stadt verständigt.

    Ein Drittel sei aber zu wenig. Das findet der Verein Noigass, der Ende Juni von linken Stadtpolitikern, Wohnbaugenossenschaftern und Quartierbewohnern gegründet wurde. Der Verein rechnet vor: Die SBB hätten bei ihren letzten neun städtischen Grossprojekten in der Stadt Zürich nur in zwei Projekten gemeinnützige Wohnungen gebaut oder geplant. Das entspreche rund 21 Prozent aller Wohnungen. Die SBB müssten jetzt bei der Neugasse Versäumtes nachholen. Schliesslich hätten die Zürcher deutlich Ja zur Initiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich» gesagt, wonach bis 2040 ein Drittel aller Wohnungen gemeinnützig sein muss. Deshalb fordert der Verein 100 Prozent gemeinnützige Wohnungen auf dem Neugasse-Areal.

    Das Druckmittel ist die Umzonung

    Viele Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher unterstützten die Forderung: Heute übergibt der Verein eine Petition mit über 8000 Unterschriften den SBB und dem zuständigen Stadtrat André Odermatt (SP). «Die SBB konnten das Land günstig erstehen», steht darin, «heute soll der verbleibende Boden wieder der Gemeinschaft zukommen.» Nun freue man sich auf «anregende Verhandlungen», heisst es: «Denn das Projekt muss vom Gemeinderat genehmigt werden. Wir Menschen in der Stadt haben das letzte Wort.»

    Die SBB können ihre Pläne nur verwirklichen, wenn der Gemeinderat einer Umzonung des Areals von einer Industrie- in eine Wohnzone zustimmt. Gegen diesen Beschluss könnte wiederum das Referendum ergriffen werden.

    Druck auf die Stadt erhöht

    Es zeichnet sich ab, dass die Pläne in der heutigen Form im Gemeinderat auf Gegenwehr stossen werden. Denn neu reiht sich auch die SP, die derzeit stärkste Fraktion im Stadtparlament, in den Widerstand ein. Vor wenigen Tagen sind einige SP-Kreissektionen dem Verein Noigass beigetreten: 3, 5, 9 und 10. Bislang waren es massgeblich Vertreter der AL, die sich exponiert haben.

    Anna Graff, Co-Präsidentin der SP 9, sagt: «Mit dem Beitritt wollen wir den Druck auf die Stadt erhöhen, damit sie mit den SBB neu verhandelt und mehr günstige Wohnungen entstehen.» Würde nicht neu verhandelt, würde die SP 9 ein allfälliges Referendum gegen die Umzonung unterstützen.

    Stadt soll Land kaufen

    Mit dem Vorgehen setzen die SP-Exponenten ihren Stadtrat Odermatt unter Druck. Dies sei aber nicht als Kritik an ihm zu verstehen, sagt Florian Utz, Vizepräsident der SP-Gemeinderatsfraktion: «Das Drittel, das Odermatt herausgeholt hat, war ein Schritt in die richtige Richtung. Auf diesem Weg möchten wir nun noch weitergehen.» Ähnlich formuliert es Marco Denoth, Co-Präsident der Stadtzürcher SP, die nicht Mitglied des Vereins ist: «Der Stadtrat hat auf seiner Verhandlungsebene das Maximum herausgeholt.» Jetzt sei aber das Parlament an der Reihe – und niemand wolle eine zweite Europaallee.

    Dass die drei linken Parteien, AL, Grüne und SP, von den SBB mehr gemeinnützige Wohnungen und Gewerberäume fordern werden, sei klar. «Wir sind der Meinung, dass die Stadt das Land den SBB abkaufen sollte, das ist für uns der einzige Weg.» Ein Referendum würde die Stadtpartei wohl unterstützen. Angesichts der 8000 Unterschriften für die Petition gibt es kaum Zweifel, dass dieses zustande kommen würde. Ein Referendum benötigt 2000 gültige Unterschriften.

    Mitteparteien reicht ein Drittel

    Der Baubeginn ist für 2022 geplant. Der Gemeinderat befasst sich mit der Umzonung erst nach den Wahlen vom 4. März, bei denen einzelne Sitzgewinne und -verluste bereits zu neuen Mehrheitsverhältnissen führen können. Verliert die Linke, wird es der Widerstand gegen das Neugasse-Projekt im Parlament schwer haben. Denn auf die Unterstützung der Mitteparteien CVP oder GLP kann sie nicht zählen.

    CVP-Präsident Markus Hungerbühler ist zufrieden mit dem Drittel gemeinnütziger Wohnungen. Das entspreche dem Willen des Stimmvolks. «Die 100-Prozent-Forderung ist unrealistisch und reine Zwängerei.» Auch Maleica Landolt, Co-Präsidentin der Stadtzürcher GLP, erachtet die Pläne als austariert. «Es braucht in einem solchen Projekt Platz für Gewerbe und Private – und nicht nur für gemeinnützigen Wohnungsbau.»

    SBB bleiben cool

    Die SBB lassen sich vom politischen Widerstand nicht beirren. «Solche Unsicherheiten gehören zum demokratischen Prozess», sagt ein Sprecher. Das Preisspektrum der Wohnungen auf SBB-Arealen in der Stadt Zürich sei ausgewogen, die Rahmenbedingungen zusammen mit der Stadt Zürich festgelegt worden. «Sollte eine politische Mehrheit fordern, den Anteil gemeinnütziger Wohnungen zu erhöhen, müsste die Strategie auf der Ebene von SBB-Konzernleitung und Stadtrat überprüft werden.»

  • Wien wird zum Zürcher Wahlkampfthema

    Ist Wien ein Paradies der Wohnbauförderung oder ein sozialistischer Albtraum? Darüber streiten sich Sozialdemokraten und Bürgerliche im Stadtzürcher Wahlkampf.
    // zum Artikel (Beat Metzler)

    Die Zürcher SP, seit langem stärkste Partei der grössten Schweizer Stadt, scheint um ihre Errungenschaften zu fürchten: «Mit einem Wohnbauprogramm für die Reichen könnte die FDP unsere Politik der letzten Jahrzehnte zugrunde richten», schrieb SP-Co-Präsident Marco Denoth vor kurzem in einem Mail, das an alle Mitglieder ging.

    Das Mail dient als Spendenaufruf im Wahlkampf für die Zürcher Stadt- und Gemeinderatswahlen am 4. März 2018. Es handle sich aber nicht um Panikmache, sagt Denoth. Er habe wirklich Respekt davor, dass die Linke im Stadtparlament die Mehrheit verliere. Rein mathematisch ist dies bereits bei den Wahlen 2014 geschehen. SP, Grüne und AL erreichten damals nur noch 62 von den 125 Sitzen im Gemeinderat. Doch wegen Abwesenheiten unter den Bürgerlichen sowie dem aus der SVP ausgeschlossenen Mario Babini gewann die Linke oft wichtige Abstimmungen. «Dies droht sich zu ändern, wenn wir nur wenige Sitze verlieren», sagt Denoth.

    Private Immobilieninvestoren hatten keine Chance

    In einem Kernbereich der SP-Politik würde sich ein Machtwechsel stark auswirken: dem Wohnungsbau. Die SP strebt so viel genossenschaftlichen und städtischen Wohnungsbau wie möglich an. Bisher hat die links dominierte Stadt ihre eigenen Grundstücke an Genossenschaften oder Stiftungen abgegeben. Private Immobilieninvestoren hatten keine Chance. Dabei berufen sich die Linken auf eine Abstimmung aus dem Jahr 2011, als 75,9 Prozent aller Zürcherinnen und Zürcher forderten, den Anteil gemeinnütziger Wohnungen auf ein Drittel zu heben. «Die Bürgerlichen hingegen würden unseren Boden an Private verscherbeln, die eine Maximalrendite herauspressen wollen. Deshalb handelt es sich um eine Richtungswahl», sagt Denoth.

    Die FDP hat sich in letzter Zeit deutlich gegen das Vorantreiben des gemeinnützigen Wohnbaus positioniert – etwa an der Delegiertenversammlung von letzter Woche. Dort trat Michael Christl von der Agenda Austria auf (einem Pendant zur Schweizer Avenir Suisse). In seiner Rede griff der Österreicher die Wiener Wohnbaupolitik an.

    «Mehr Wien für Zürich»

    Damit konterte die FDP die SP, welche letztes Jahr den Wiener Vizebürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nach Zürich eingeladen hatte. Das Motto des Anlasses lautete «mehr Wien für Zürich». In Wien leben 62 Prozent aller Mieterinnen und Mieter in einer gemeinnützigen Wohnform. Für die Zürcher Linke ist das eine Traumquote.

    Den Bürgerlichen dient Wien hingegen als abschreckendes Beispiel. «Alle Probleme, die wir auch in Zürich haben, zeigen sich dort noch stärker», sagt Severin Pflüger, Präsident der Stadt­zürcher FDP. Nicht jene Menschen, die es wirklich brauchten, würden in Genossenschaften leben. Die vielen gemeinnützigen Wohnungen verkleinerten den Markt, diese Verknappung des Angebots drücke die Preise im privaten Segment zusätzlich nach oben. «Es herrscht eine Zweiklassengesellschaft», sagt Pflüger.

    So wird sich der Stadtzürcher Wahlkampf auch darum drehen, ob Zürich stärker verwienern soll.

    Blockierte Aufstockungen

    Stiftungen wie jene für kinderreiche Familien möchte die FDP weiter unterstützen. Doch sie würde städtisches Land auch an private Investoren verkaufen. «Diese könnten noch günstiger bauen», sagt Pflüger. Davor graut es der SP. Ihr geht es bei der Unterstützung von Genossenschaften auch darum, den Boden langfristig der Spekulation zu entziehen.

    Die FDP will ausserdem in vielen Quartieren der Stadt eine Aufzonung um einen Stock erlauben. «Das würde ein grösseres Angebot schaffen und so den Markt für alle Mieter entspannen», sagt Pflüger. Die SP wehrt sich dagegen, solange der Kanton keine «Mehrwertabschöpfung» zulässt. Diese Steuer müssten Eigentümer auf die Wertsteigerung zahlen, welche ihnen eine Aufstockung einbringt. Aus Sicht der Linken handelt es sich dabei um einen «Gewinn ohne Leistung». Die Abgabe brauche es, um die Kosten der Verdichtung abzufangen. Die FDP hält die Steuer für kontraproduktiv. Ihre Befürchtung: Eigentümer würden die dadurch anfallenden Ausgaben direkt auf ihre Mieter abwälzen.

    Die Höhe der Mehrwertabschöpfung wird allerdings nicht in der Stadt, sondern im Kantonsrat entschieden. Die hoch umstrittene Vorlage befindet sich noch in der Beratung.

  • Die Wohnungsnot existiert wirklich

    Nichts beschäftigt die Zürcherinnen und Zürcher stärker. Die SP löst diese Probleme, statt sie zu verharmlosen.
    // zum Artikel (Eine Replik von Gabriela Rothenfluh und Marco Denoth)

    Die Wohnungsnot sei «mehr Angstmache als Tatsache», die Hälfte der 4-Zimmer-Wohnungen in der Stadt Zürich koste ja weniger als 1300 Franken pro Monat. Dies schrieb Edgar Schuler letzten Freitag. Dann folgert er, dass Investitionen in bezahlbare Wohnungen genauso überflüssig seien wie I­n­vestitionen in die «durchgehende Velowegbar­machung des Stadtgebiets». Stattdessen sollen mit dem eingesparten Geld die Steuern gesenkt werden. Und zwar am besten durch eine Neuauflage der Unternehmenssteuerreform III.

    Wer keine echten Argumente hat, neigt dazu, die Dinge umzudefinieren. Dünn wird dann die Trennlinie zwischen Wahrheit und Dichtung.

    Zahlbare Wohnungen sind in Zürich ein reales und kein herbeigeredetes Problem. Die Hälfte der 4-Zimmer-Wohnungen kosten entgegen Schulers Aussage mindestens 1780 Franken. Für gemeinnützige 4-Zimmer-Wohnungen liegt dieser Medianwert bei 1400 Franken, für renditeorientierte bei 2000 Franken. Die ausgeschriebenen Mietpreise liegen nochmals um 50 Prozent höher. Wer wie Schuler rückzahlbare zinsgünstige Darlehen und Baurechte an gemeinnützige Wohnbauträger als Subvention bezeichnet, liegt doppelt falsch. Erstere kosten die Stadt keinen Rappen, und Zweitere sind ein grosses Geschäft für die Stadt, weil sie jährlich Baurechtszinse in Millionenhöhe einnimmt. Ausserdem bleiben die massiven Steigerungen des Immobilienwertes zu 100 Prozent im Volksvermögen.

    Hinter der Wohnungspolitik der SP steht ein Volksentscheid. Mit 76 Prozent Ja-Stimmen beschloss die Zürcher Stimmbevölkerung, den Anteil bezahlbarer Wohnungen auf ein Drittel zu erhöhen. Die SP setzt also um, was die Bevölkerung bestellt hat. Genau gleich verhält es sich bei den Velowegen. Das Volk hat sich mit grosser Mehrheit für Investitionen in durchgehende Velowege ausgesprochen. Auch dieser Volksentscheid muss zügig umgesetzt werden. Separate Verkehrsflächen für Autos, für Velos sowie für die Fussgängerinnen und Fussgänger erhöhen die Sicherheit von uns allen.

    Heute sterben in der Stadt Zürich mehr Menschen durch Verkehrsunfälle als durch Gewaltdelikte. Wir haben auf unseren Strassen ein reales Sicherheitsproblem.

    Nur wenige beklagen hohe Steuern

    Nirgends gibt es in Zürich so dringenden Handlungsbedarf wie beim Verkehr und bei der Wohnungsnot. Das sieht auch die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung so. In der regelmässig stattfindenden Bevölkerungsumfrage werden Verkehr und Wohnen seit Jahren als die beiden grössten Probleme bezeichnet. Demgegenüber nannten zuletzt gerade mal noch drei Prozent der Bevölkerung «zu hohe Steuern» als Problem.

    Ebenso falsch ist die Behauptung, die SP wolle die Steuern nicht senken. Das Gegenteil trifft zu. Die SP hat im Kanton Zürich einen Vorstoss zur Verdreifachung des Steuerfreibetrages eingereicht, den die bürgerliche Seite nicht umsetzt. Zynischerweise verzögern die rechtsbürgerlichen Mehrheiten in Kanton und Bund Steuersenkungen für den Mittelstand. Ohne Not haben sie mehrfach die Unternehmenssteuern gesenkt. Um diese Ausfälle zu kompensieren, hätte man die Steuern für natürliche Personen um 18 Prozentpunkte anheben müssen. Es ist die Leistung der rot-grünen Regierung, diesen Mittelentzug ohne Steuererhöhungen bewältigt zu haben.

    Die Strategie der SP in der Finanzpolitik folgt dem Credo «Spare in der Zeit, dann hast du in der Not». Bevor an Steuersenkungen für natürliche Personen zu denken ist, bildet die Stadt momentan Reserven, um rund sechs schlechte Jahre zu überstehen. Das ist kluge Finanzpolitik.

    Wenn die Stadt Zürich dereinst den Spielraum für eine Steuersenkung hat, so ist wichtig, dass auch der Mittelstand zum Zug kommt. Bei einer blossen Neuauflage der Unternehmenssteuerreform III wäre das nicht der Fall.

    Die Politik der SP hört auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und löst Probleme, statt sie kleinzureden. Der Anspruch auf eine bürgerliche Mehrheit entspricht nicht der Lebensrealität der Stadtzürcher(innen), politisieren doch SVP, FDP und CVP in zentralen Punkten am Volk vorbei.

  • Olympisches Feuer unterm Dach

    Das Signal aus Zürich gegen die Teilnahme an Winterspielen wird in Chur als bedeutungslos gewertet. Das lassen die Zürcher nicht auf sich sitzen.
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    Es ist kaum erforscht, ob Steinböcke an einer auditiven Verarbeitungsstörung leiden können. An jener Störung, die dazu führt, dass man etwas nicht versteht, obwohl man es hört. Wahrscheinlicher ist, dass Steinböcke unserer Sprache ganz einfach nicht mächtig sind (mal abgesehen von jenen Exemplaren, die in der Tourismuswerbung tätig sind).

    Bei der Bündner Regierung liegt der Fall anders. Wenn sie etwas partout nicht versteht, dann vermutlich, weil sie es nicht verstehen will. Das muss die grosse Mehrheit der Zürcher Gemeinderäte denken, nachdem sie vor einer Woche ein Signal Richtung Graubünden schickten, das sie für unmissverständlich hielten: Zürich macht 2026 bei Olympischen Winterspielen nicht mit.

    In dieser klaren Absage waren SP, Grüne und SVP für einmal gleicher Meinung. Sie reagierten damit auf den Umstand, dass Zürich in den unlängst veröffentlichten Plänen der Bündner Regierung für eine Olympiakandidatur als Austragungsort auftaucht. Da wird unter anderem mit Siegerzeremonien auf dem Sechseläutenplatz geworben oder mit Eiskunstlauf im Hallenstadion. Und das, monierten die irritierten Gemeinderäte, obwohl es aus Zürich keinerlei Zusagen gibt.

    Da war doch etwas in Zürich

    Jon Domenic Parolini (BDP), Vorsteher des Bündner Volkswirtschaftsdepartements, reagierte auf das Signal aus dem Stadtzürcher Parlament in der «Südostschweiz» mit Nonchalance: «Nun ja, da war eine Diskussion im Zürcher Gemeinderat – unser Ansprechpartner ist aber der Stadtrat.»

    Dass er die Angelegenheit herunterspielt, hat terminliche Gründe: Am 12. Februar stimmen die Bündner über einen Millionenkredit für die Olympiakandidatur ab, und es gibt Widerstand, vor allem von Linken, Grünen und Umweltschützern. In dieser Phase wäre ein definitives Nein aus Zürich nicht hilfreich.

    «Noch einmal, zum Mitschreiben: Nein»

    Aber Parolini hat die Hartnäckigkeit der Zürcher Olympiagegner unterschätzt. Marco Denoth, Co-Präsident der hiesigen SP mit Bündner Wurzeln, lässt es jedenfalls nicht dabei bewenden. Er spricht von einer Respektlosigkeit gegenüber dem Stadtzürcher Parlament: «Anscheinend kennt Herr Parolini das politische System nicht – oder er nimmt es nicht ernst.» Denoth stellt klar, dass nicht der Stadtrat in dieser Sache das letzte Wort haben werde, sondern der Gemeinderat. Er wiederhole deshalb, zum Mitschreiben für die Bündner Regierung: «Nein heisst Nein. Zürich wird nicht mitmachen.»

    Tatsächlich hat der Gemeinderat die Hoheit über das Budget, und bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen würde er alles rauskürzen, was mit Olympia zu tun hat. Der Stadtrat kann in eigener Kompetenz nur Ausgaben bis 2 Millionen Franken beschliessen. Dass man damit wohl nicht weit käme, zeigt der Vergleich mit der Fussball-Europameisterschaft 2008. Damals war ein Kredit über 18 Millionen Franken nötig, um alle Rechnungen zu bezahlen, die bei solchen Grossanlässen anfallen – von Sicherheit über Verkehr bis zur Abfallentsorgung.

    Bündner müssten selber zahlen

    Anders gesagt: Wenn die Bündner Olympia-Promotoren jetzt auf den Zürcher Stadtrat setzen, um am Stadtparlament vorbeizuplanen, müssten sie den Grossteil der in Zürich anfallenden Kosten selbst tragen. In diesem Sinn reagierte auch der Zürcher Stadtrat auf die Avancen aus Chur – im Ton zwar freundlicher als das Parlament, in der Sache aber ebenfalls deutlich: Zürich werde auf keinen Fall als Gaststadt auftreten wie bei der Fussball-EM, weil das finanzielle Verpflichtungen bedeuten würde. Falls die Olympiakandidatur Erfolg hätte, wäre der Stadtrat zwar bereit, das Stadion Letzigrund oder den Sechseläutenplatz bereitzustellen. Er fügt aber an: «Allenfalls gegen Entschädigung.»

    Der Bündner Volkswirtschaftsdirektor Parolini sagt, eine finanzielle Beteiligung sei in den Gesprächen mit dem Zürcher Stadtrat seit dessen schriftlicher Antwort kein Thema gewesen. Auch nicht eine unterhalb der 2-Millionen-Grenze, die der Stadtrat in eigener Kompetenz beschliessen könnte. Laut Parolini ging es nur darum, ob man grundsätzlich mit Zürcher Sportanlagen und Plätzen planen könne. Der Stadtrat habe sich aufgeschlossen gezeigt, aber mit Rücksicht auf die politischen Sensibilitäten in der Stadt auch zurückhaltend. «Das akzeptiere ich», sagt Parolini, «und darauf habe ich mich abgestützt.» Es sei ihm nie darum gegangen, die Kompetenzen des Zürcher Gemeinderates in Frage zu stellen.

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  • Für eine lebenswerte und offene Schweiz

    Liebe/r

    Aus dem Engadin kam ich als kleiner Bub nach Chur – und dann nach Zürich. Mit meiner Bündner Herkunft verbindet mich bis heute viel: Ich habe Freunde dort und natürlich packt mich immer wieder mal die Sehnsucht nach den Bergen. Seit meiner Studienzeit lebe ich aber in Zürich – und politisch lebe ich für Zürich. Sie ist zu meiner Stadt geworden. Da bin ich natürlich kein Einzelfall: Jahr für Jahr kommen Menschen zu uns: um zu studieren, um zu arbeiten, als Zwischenstation oder der Liebe wegen. Kein Wunder – Zürich zieht einfach an. Der Kanton bietet Lebensqualität, Arbeits- und Studienplätze, Vereinbarkeit von Familie und Arbeit, Kultur: eben Platz zur freien Entfaltung. Das wird sich hoffentlich nicht ändern. Und ich stelle fest: In absehbarer Zeit wird die Schweiz die 10 Mio. Einwohnerinnen- und Einwohner-Marke erreichen.

    Während die Reallöhne sinken, steigen die Mieten, Lebenskosten und Krankenkassenprämien massiv an. Da braucht es einen Plan und Gegensteuer – und keine Stimmungsmacherei gegen Zuwanderung. Es ist vollkommen normal, sich an einem neuen Ort niederzulassen.

    Ich will eine offene Schweiz, in der es allen gut geht und in der alle Menschen willkommen sind. Als Architekt weiss ich: Dafür brauchen wir einen Plan und Massnahmen, die weiterbringen. Denn wächst die Schweiz, wächst Zürich und der ganze Kanton, entsprechend, mit. Eine wachsende Bevölkerung braucht Platz – und ohne die richtigen Massnahmen steigen die Kosten. Dank meiner grossen Erfahrung in der Richtplanung kann ich abschätzen, wie Schweizer Städte, Agglomeration und Quartiere geplant werden müssen, damit die Menschen möglichst viel Lebensqualität haben.

    Gerne würde ich meine Kompetenzen und Erfahrungen im Nationalrat einbringen und mithelfen, die Zukunft der Schweiz zu gestalten.

    Eine lebenswerte und offene Schweiz. Auch, wenn wir 10 Mio sind: Dafür ergreife ich Partei.